Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
Vom Netzwerk:
Andromeda Phoenix.« Er setzte sich wieder.
    »Der Bundesstaat Kalifornien kann jetzt mit der Befragung beginnen.«
    »Danke, Euer Ehren.«
    Plötzlich stand Andi auf und sorgte bei Alex für einen verblüfften, wenn nicht gar entsetzten Gesichtsausdruck.
    »Euer Ehren, ich bitte das Gericht um Verzeihung, aber bevor wir mit der Vernehmung der Geschworenen beginnen, würde ich gern einen Einwand gegen den Kandidatenpool vorbringen.«
    Alle sahen sie verwirrt an, einschließlich Alex.
    »Gegen den gesamten Pool?«, fragte Richterin Wagner mit wohldosierter Gelassenheit.
    »Ja, Euer Ehren.«
    »Und mit welcher Begründung, Mrs Phoenix?«, fragte die Richterin neugierig.
    »Vierzehnter Zusatzartikel, Euer Ehren: systematischer Ausschluss von Geschworenen aufgrund ihrer Hautfarbe, ein klarer Verstoß gegen die 1986 im Grundsatzurteil Batson gegen Kentucky etablierten Grundsätze.«
    Während Alex versuchte, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen, spähte Richterin Wagner irritiert durch ihre Gleitsichtbrille. »Ich bin nicht ganz sicher, ob ich Ihnen folgen kann, Mrs Phoenix. Die Jury ist doch noch gar nicht zusammengestellt. Wir haben nicht einmal mit der Vernehmung der Geschworenen begonnen.«
    »Ich beziehe mich auf die geringe Anzahl von Afroamerikanern im Kandidatenpool. Die Bevölkerung von Alameda County ist zu fast 14 Prozent schwarz. Dementsprechend müssten etwa einundzwanzig oder zweiundzwanzig Afroamerikaner vor uns sitzen. Ich sehe aber nur sieben – Entschuldigung, acht. Diese Unterrepräsentierung widerspricht eindeutig dem Urteil Strauder gegen West Virginia von 1880, auf das sich das eben zitierte Batson -Urteilgründet.«
    »Ach ja, Strauder «, sagte Richterin Wagner mit einem ironischen Lächeln. »Das Urteil, in dem bekräftigt wurde, dass die Bundesstaaten Frauen aufgrund ihres Geschlechts aus den Jurys ausschließen dürfen.«
    Andi machte einen nervösen Eindruck. »Ich glaube, dass damals der Neunzehnte Zusatzartikel noch nicht verabschiedet war, der Fünfzehnte hingegen schon. Das Urteil reflektiert also nur den aktuellen Stand der verfassungsrechtlichen Haltung zum Wahlrecht für Schwarze beziehungsweise Frauen. Jedenfalls gilt das Urteil bis heute und wurde in anderen Urteilen zitiert.«
    »Ja, Mrs Phoenix, und eins dieser Urteile ist Hoyt gegen Florida von 1961. Damals entschied das Gericht, dass es nicht gegen den Vierzehnten Zusatzartikel verstößt, wenn das Geschworenenamt für Männer obligatorisch ist und für Frauen freiwillig.«
    Andi biss sich auf die Lippen. »Bei allem Respekt, Euer Ehren, aber allen gängigen Interpretationen zufolge bezieht sich der Vierzehnte Zusatzartikel in erster Linie auf Rassendiskriminierung und nicht auf Geschlechterdiskriminierung. Tatsache ist doch …«
    »Tatsache ist, dass im Fall Washington gegen Davis von 1976 entschieden wurde, dass rechtlich gesehen allein die Intention relevant ist und nicht das Ergebnis . Das Gericht muss also gar nicht prüfen, ob eine rechtliche Praxis zur Folge hat, dass einzelne Bevölkerungsgruppen disproportional vertreten sind, sondern es muss prüfen, ob eine Volksgruppe vorsätzlich von der Jury ausgeschlossen wurde.«
    Ein scharfsinniger Beobachter hätte bei diesen Worten einen gequälten Ausdruck auf Ellen Wagners Gesicht festgestellt. Der Grund hierfür war, dass der von ihr so hochver-ehrte Thurgood Marshall gegen das im Fall Washington gegen Davis ergangene Urteil votiert hatte.
    Andi versuchte es erneut: »Euer Ehren, dieser Präzedenzfall wurde vom Bundesgerichtshof verhandelt, weshalb die Kläger sich auf den Fünften Zusatzartikel beriefen. Weil wir uns hier auf bundesstaatlicher Ebene befinden, berufe ich mich auf den Vierzehnten Zusatzartikel, und der enthält neben der allgemeinen Rechtsstaatsgarantie eine Gleichbehandlungsklausel, die im Fall Strauder explizit vom Gericht zitiert wurde.«
    »Das mag ja sein, Mrs Phoenix, aber die Gründe für die Entscheidung, dass disproportionale Repräsentierung für sich genommen noch nicht gegen die Verfassung verstößt, sind sowohl mit der Gleichbehandlungsklausel als auch mit der Rechtsstaatsgarantie vereinbar.«
    »In diesem Fall, Euer Ehren, möchte ich außerdem das im Sechsten Zusatzartikel festgeschriebene Recht meines Mandanten auf Beurteilung durch eine unparteiische Jury geltend machen.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass eine disproportionale Abbildung der Bevölkerung im Kandidatenpool die Unparteilichkeit der späteren Jury gefährdet?«
    Andi

Weitere Kostenlose Bücher