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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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Einrichtung verwendet wird, möchte ich darauf hinweisen, dass Gerichte von diesem Gesetz ebenfalls ausgenommen sind. Folglich können meine Auftraggeber nicht dazu gezwungen werden, den Quellcode herauszugeben.«
    Andi, die sich auf diesem Gebiet besser auskannte als Alex und von ihm daher grünes Licht erhalten hatte, brachte unbeirrt ihre Argumente vor: »Euer Ehren, Mr Kenney kämpft gegen Windmühlen. Unser Antrag hat überhaupt nichts mit dem kalifornischen Informationsfreiheitsgesetz zu tun. Es handelt sich um einen Antrag auf Herausgabe von Beweismaterial, das für die Verteidigung unseres Mandanten gemäß seiner im Sechsten Zusatzartikel festgelegten Rechte unerlässlich ist. Das Gericht hat bereits eingeräumt, dass es ein Verstoß gegen den Sechsten Zusatzartikel wäre, wenn die ethnische Zusammensetzung der Jury absichtlich beeinflusst worden wäre. Wir konnten bereits recht schwerwiegende statistische Abweichungen nachweisen, aber die Analyse der Software ist für uns die einzige Möglichkeit, die Ursache für diese Abweichungen zu ermitteln. Was das Betriebsgeheimnis angeht, sind wir natürlich zur Geheimhaltung verpflichtet. Eventuelle Entdeckungen dürfen nur innerhalb des Gerichtssaals diskutiert werden, dessen sind wir uns bewusst. LegalSoft hat diesbezüglich also nichts zu befürchten.«
    »Euer Ehren«, fuhr Kenney fort. »Diese Entdeckungen könnten sich trotzdem nachteilig auswirken und zu Klagen gegen LegalSoft führen. Von den ernsten Folgen, die das für den Justizapparat haben könnte, möchte ich hier gar nicht reden.«
    Er grinste süffisant und zog einen wütenden Blick von Ellen Wagner auf sich. Kenney spielte auf den Umstand an, dass eine Flut von Berufungsprozessen auf die Gerichte einprasseln würde, wenn die Verteidigung wirklich einen Fehler in der Software entdeckte. Man würde unzählige verurteilte Straftäter – von denen die meisten vermutlich schuldig waren – auf freien Fuß setzen müssen. Diesen Leuten konnte man theoretisch natürlich erneut den Prozess machen, aber in der Praxis wurde dies durch die verstrichene Zeit und das nachlassende Gedächtnis der Zeugen erschwert – von den logistischen Problemen ganz zu schweigen.
    Allerdings durfte sich kein Richter von diesem Argument beeinflussen lassen. Richterin Wagner musste allein nach Gesetzeslage entscheiden und den Dingen dann ihren Lauf lassen.
    »Euer Ehren, wenn die Software fehlerhaft ist, ist es nur recht und billig, dass es zu Klagen …«, setzte Andi an.
    »Aber es ist nicht recht und billig, dass meine Mandanten gezwungen sind, sich selbst zu belasten«, unterbrach Kenney sie.
    »Da es um eine zivilrechtliche Angelegenheit geht, kann von Belastung keine Rede sein.«
    »Es gibt aber auch kein automatisches Recht darauf, Zugriff auf Betriebsgeheimnisse zu erhalten, um Klagen gegen ein Privatunternehmen zu ermöglichen.«
    »Wir wollen gegen überhaupt niemanden klagen, Euer Ehren. Unser Ziel besteht lediglich darin, die im Sechsten und Vierzehnten Zusatzartikel festgeschriebenen Rechte unseres Mandanten zu wahren.«
    »Aber dieses Ziel der Verteidigung könnte die von mir beschriebenen Folgen nach sich ziehen, Euer Ehren«, feuerte Kenney zurück.
    »Euer Ehren, der Schutz eines Unternehmens vor der unbestimmten, zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht existenten Bedrohung, verklagt zu werden, sollte ja wohl hinter dem Recht eines Angeklagten auf einen fairen Prozess zurückstehen, zumal, wenn diesem Angeklagten ein schweres Gewaltverbrechen vorgeworfen wird.«
    »Aber Sie müssen doch zugeben, dass dieselben potenziellen Funde, die Anlass zur Sorge um die Fairness des Prozesses geben könnten, auch zu Klagen gegen das Unternehmen führen würden«, wandte Richterin Wagner ein.
    Andi zögerte nachdenklich, bevor sie erklärte: »Vermutlich ist sogar das Gegenteil der Fall, Euer Ehren.«
    »Würden Sie das bitte näher ausführen, Mrs Phoenix?«, forderte Ellen Wagner sie auf.
    »Wir glauben gar nicht, dass der Fehler im Quellcode zu finden ist. Unserer Ansicht nach ist nicht der Quellcode fehlerhaft, sondern das ausführende Programm.«
    »Dann verstehe ich nicht, wozu Sie den Quellcode überhaupt brauchen. Was hätten Sie davon?«
    »Mithilfe des Quellcodes können wir beweisen, dass das ausführende Programm anders arbeitet, als es eigentlich soll, Euer Ehren.«
    »Inwiefern?«
    »Wir glauben, dass die ursprüngliche Software fehlerlos gearbeitet hat, aber manipuliert wurde, damit sie von der Norm abweichende

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