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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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mehr als pauschale Aussagen nötig – vor allem, wenn man gegen eine Löwin wie Sarah Jensen kämpft.«
    »Das meinte ich gar nicht, Alex«, erwiderte Andi.
    »Was meinten Sie nicht?«
    »Das mit den Verallgemeinerungen und dem Zeitdruck. Ich meinte, dass er vielleicht wirklich recht damit hatte, dass der Laborant, der die Probe getestet hat, nervös aussah. Meiner Meinung nach hat er die Wahrheit gesagt und vielleicht wirklich etwas Konkretes gesehen.«
    »Ach, kommen Sie, Andi. Sie glauben doch nicht wirklich, dass er entlassen wurde, weil er zu viel weiß? Das habe ich doch vorhin ausgeschlossen, indem ich ihn gefragt habe, ob er jemandem davon erzählt hat.«
    »Ich sage ja gar nicht, dass er deswegen entlassen wurde. Dafür gab es bestimmt einen anderen triftigen Grund. Dass er unachtsam war und trotz Verwarnung den gleichen Fehler noch einmal gemacht hat, glaube ich ohne zu zögern. Daraufhin war das Maß dann einfach voll. Das sehe ich alles ein, aber …«
    »Aber was?«
    »Aber ich glaube trotzdem, dass er recht hat, was den Laboranten angeht. Nur weil er zu Recht entlassen wurde, muss er ja nicht gelogen haben. Vielleicht ist ihm damals zwar aufgefallen, dass der Laborant nervös wirkte, aber er hat sich nichts dabei gedacht – oder es nicht ernst genug genommen, um deshalb etwas in die Wege zu leiten. Das heißt noch lange nicht, dass er gelogen hat … oder sich das Ganze nur einbildet. Ich glaube, dass er wirklich etwas beobachtet hat, was ihm erst nach seiner Entlassung wieder eingefallen ist.«
    »Aber wie wollen wir beweisen, dass er recht hat, wenn wir keinen verlässlichen Zeugen in den Zeugenstand rufen können?«, warf Juanita ein.
    Andi dachte ein paar Sekunden darüber nach und sagte dann: »Vielleicht sollten wir per richterlicher Anordnung die entsprechenden Laborprotokolle anfordern.«

Freitag, 21. August 2009 – 10.20 Uhr
    Die Sitzung am Freitagvormittag verstrich mit Verhandlungen im Büro der Richterin. Für die Verteidigung, die einen Antrag auf Offenlegung der Arbeitsprotokolle des kriminaltechnischen Labors von Ventura einreichte, schien der Tag zunächst vielversprechend anzufangen. Sarah Jensen erwiderte, dass die Anklage nichts gegen den Antrag einzuwenden, ja die betreffenden Protokolle bereits in ihren Unterlagen abgeheftet habe. Sie wurden der Assistentin der Richterin übergeben, die Kopien für ihre Chefin und für die Verteidigung anfertigte. Anschließend wurden die Protokolle als Beweisstücke registriert.
    Sarah Jensen, für die es ohnehin schwierig bis unmöglich gewesen wäre, den Antrag zu verhindern, war der Verteidigung sogar dankbar. Auf diese Weise war der Weg, den die DNA im Labor genommen hatte, bereits schriftlich festgelegt und die lückenlose Beweiskette somit nachgewiesen, was den Geschworenen mehrere langweilige Zeugenaussagen ersparte und den Prozess um ein oder zwei Tage verkürzte. Weil Sarah Jensen außerdem zuversichtlich war, dass die Protokolle nichts enthielten, was die Anklage gefährden konnte, winkte sie das Ansinnen der Verteidigung widerspruchslos durch. Sie hatte sich die Protokolle sorgfältig durchgelesen, und es machte alles einen koscheren Eindruck. Sämtliche Vorgänge waren schriftlich festgehalten, es gab keine Lücken im zeitlichen Ablauf und soweit sie erkennen konnte auch keinen übermäßig hohen Durchlauf an Proben. Die Tatsache, dass die Verteidigung auf die Befragung der Zeugen verzichtete, die vorgeladen waren, um Rechenschaft über die Beweiskette abzulegen, bedeutete schließlich, dass sie diesbezüglich nichts zu finden erwartete. Trotzdem hätte Sarah Jensen gerne gewusst, woher ihr plötzliches Interesse für die Protokolle rührte.
    Nachdem sich beide Parteien bezüglich der Protokolle geeinigt hatten, verschärfte sich die Debatte, weil eine dritte Partei ins Spiel kam.
    Diese dritte Partei war LegalSoft, das Softwareunternehmen, das die vom Bezirksgericht verwendete Software zur Geschworenenauswahl hergestellt hatte, genau wie die ebenfalls vom Gericht verwendete Zeitmanagement-Software.
    »Euer Ehren, der Quellcode unserer Software ist eindeutig eine patentrechtlich geschützte Information und somit Betriebsgeheimnis«, argumentierte der Firmenanwalt Melvin Kenney, ein fast zwei Meter großer ehemaliger Fullback von Notre Dame. »Außerdem gilt das kalifornische Informationsfreiheitsgesetz für uns nicht, da wir ein Privatunternehmen sind. Und was die Tatsache angeht, dass unsere Software von einer öffentlichen

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