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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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Richterin.
    »Die Verteidigung hatte noch gar keine Gelegenheit, den Quellcode der ursprünglichen Software einzusehen. Ihre gesamte Argumentation basiert auf einer Analyse des dekompilierten ausführbaren Programms.«
    »Aber das ist genau die Version, die das Gericht benutzt«, protestierte Andi.
    »Ja, aber wir wissen nicht, ob das Original auch schon so war.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte die Richterin unverblümt.
    »Damit will ich sagen, dass es zwei Möglichkeiten gibt: Wenn der ursprüngliche Quellcode anders ist als die aktuelle Version, kann die Verteidigung mit Fug und Recht behaupten, dass die Software absichtlich manipuliert wurde. Dann müsste auch die Anklage einräumen, dass jede Diskriminierung, die dadurch entsteht, beabsichtigt ist. Wenn der ursprüngliche Quellcode jedoch im Wesentlichen identisch ist, rührt das Problem lediglich von einer fehlerhaften Programmierung her, was sämtliche nachteiligen Auswirkungen auf eine unbeabsichtigte Nebenwirkung reduziert. Da das Gericht jedoch, wie es die Präzedenzfälle vorgeben, nur beabsichtigte Diskriminierung zu prüfen hat, liegt bislang noch keine Grundlage dafür vor, dem Antrag der Verteidigung stattzugeben. Nur wenn die Verteidigung beweisen kann, dass die Software von irgendeiner unautorisierten Person außerhalb der Herstellerfirma modifiziert wurde, hat sie Grund für ihre Behauptung, es liege beabsichtigte Diskriminierung vor.«
    Die Richterin wandte sich wieder an die Verteidigung. Andi machte einen geknickten Eindruck, während Alex’ Gesicht und Körpersprache keinerlei Emotionen verrieten.
    »Falls der Berufungsantrag von LegalSoft abgewiesen wird und Sie morgen den Quellcode bekommen, wie schnell könnten Sie dann eine endgültige Antwort auf diese Frage vorlegen?«
    Alex drehte sich zu Andi um. Das war ihr Gebiet – und Davids.
    »Ich würde sagen, wenn wir die Software bis morgen um zehn bekommen, wie es die richterliche Anordnung vorsieht, haben wir schon ein paar Stunden später die endgültige Antwort. Wir können die Variablen und Datenfelder in der dekompilierten Version anhand ihrer Gegenstücke im ursprünglichen Quellcode umbenennen und dann einen normalen Textabgleich machen. So lassen sich Änderungen ganz einfach aufspüren.«
    »Sie könnten also bis spätestens Mittwochmorgen eine endgültige Antwort vorlegen?«
    »Auf jeden Fall«, sagte Andi.
    Die Richterin wandte sich an die Anklagevertretung. »Wünscht die Anklage eine Kopie der Software, um einen eigenen Gutachter zurate zu ziehen?«
    Nick Sinclair warf Sarah einen fragenden Blick zu. Sie war die leitende Staatsanwältin in diesem Fall, also war es ihre Entscheidung.
    »Nein, Euer Ehren. Aber dürfte ich fragen, ob das Gericht für den Fall, dass tatsächlich eine Manipulation nachgewiesen wird, vorhat, dem Antrag der Verteidigung auf Abweisung der Klage stattzugeben – und falls ja, ob die Abweisung rechtskräftig sein wird oder eine Neuaufnahme des Verfahrens zulässt?« Sarah Jensen wollte sich vergewissern, dass die Staatsanwaltschaft nach Feststellung eines ungültigen Verfahrens zumindest noch die Chance hatte, dem Angeklagten in einem neuen Verfahren mit anderen Geschworenen den Prozess zu machen.
    Ellen Wagner dachte einen Moment darüber nach. »Diese Frage bedarf reiflicher Überlegung. Es bringt ja nichts, irgendetwas zu überstürzen, solange wir nicht wissen, ob wirklich vorsätzliche Manipulation vorliegt.«
    Sie wollte die Verhandlung gerade vertagen, als Alex noch etwas einfiel: »Ein kleines Anliegen habe ich noch, Euer Ehren.«
    »Ja, Mr Sedaka?«, sagte die Richterin und seufzte ungeduldig.
    »Die Verteidigung möchte Steven Johnson in den Zeugenstand rufen, den Laboranten, der die Fingernagelproben getestet hat.«
    In Sarah Jensen kam plötzlich Leben. »Euer Ehren, davon wurden wir vorab nicht informiert – und Mr Johnson steht auch nicht auf der Zeugenliste. Die Verteidigung hätte mehr als genug Zeit gehabt, uns davon in Kenntnis zu setzen.«
    »In der Zwischenzeit ist eine neue Entwicklung eingetreten«, rechtfertigte sich Alex, »die die Anhörung dieses Zeugen für die Verteidigung meines Mandanten unerlässlich macht – vorausgesetzt, der Prozess wird fortgesetzt. So oder so hat die Anklage achtundvierzig Stunden Zeit, Nachforschungen über den Zeugen anzustellen, der ihr im Übrigen ja nicht unbekannt ist. Er arbeitet in eben jenem Labor, das die Anklage selbst konsultiert hat. Und er hat die DNA-Probe getestet, auf die

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