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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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Worth« dröhnten aus ihrem Handy und rissen sie abrupt aus ihrer Grübelei. Sie warf einen Blick aufs Display: eine unbekannte Nummer. Wenn sie allein war, ging sie nicht gerne ans Telefon. Seit der Vergewaltigung hatte sie Angst vor Fremden. Sogar Fremde am anderen Ende der Telefonleitung schüchterten sie ein. Und so wuchs auch jetzt die Furcht in ihr, während sie dem Handy beim Klingeln zuhörte. Aber dann siegte doch die Neugier, und sie drückte auf den Annahmeknopf.
    »Hallo?«, sagte sie mit mexikanischem Akzent, um notfalls behaupten zu können, sie sei jemand anders.
    »Spreche ich mit Bethel?«, fragte eine Frauenstimme … eine vertraute Stimme. Aber sie klang verzerrt.
    »Wer ist da?«
    »Du kennst mich nicht. Mein Name ist … Nenn mich einfach Lannosea.«
    Der ungewöhnliche Name machte Bethel nervös. Wer so einen Decknamen benutzte, musste vollkommen verrückt sein, und sie hatte schon genug Probleme. Andererseits war die Tatsache, dass es sich um eine Frau handelte, irgendwie beruhigend.
    »Was wollen Sie?«
    »Ich will, dass du eines weißt: Claymore wird nicht ungeschoren davonkommen.«
    »Was …?«
    »Ich will, dass du weißt, dass es da draußen jemanden gibt, der für Gerechtigkeit kämpft … und dafür, dass dir Gerechtigkeit widerfährt.«
    »Was haben Sie vor?«
    »Ich werde dafür sorgen, dass alle, die dir Schaden zugefügt haben, bestraft werden. Ich werde dir die Gerechtigkeit verschaffen, die dir die Justiz verwehrt.«
    Bethel war verwirrt, aber sie hatte keine Angst mehr. Diese Frau war nicht ihr Feind. Allerdings wusste sie, dass sie aufpassen musste, was sie sagte. Sich Rache zu wünschen war das eine; damit in Verbindung gebracht zu werden etwas ganz anderes. Trotzdem machte ihr diese Stimme Hoffnung. Die Frau war eine verwandte Seele – eine Seele, die wusste, was sie dachte, die ihren Schmerz nachvollziehen konnte, fast so, als schlüge dasselbe Herz in ihnen beiden.
    »Danke«, sagte Bethel leise. »Danke.« Sie blinzelte gegen die Tränen an, die ihr über die Wangen strömten.
    »Sei stark«, erwiderte die Frau am anderen Ende der Leitung. Sie sagte es sanft, aber unnachgiebig. »Sei stark und mutig. Bald wird es Gerechtigkeit für dich geben.«

Samstag, 22. August 2009 – 10.20 Uhr
    »Also gut, lass hören«, sagte Alex.
    Sie begannen ihre Videokonferenz: Alex in seinem Arbeitszimmer im Erdgeschoss und Andi mit ihrem Laptop am Schreibtisch ihres Hotelzimmers.
    »Also, eigentlich soll es folgendermaßen funktionieren«, erklärte David. »Das ursprüngliche Programm wurde so geschrieben, dass es nicht auf eine eigene Datenbank zurückgreifen muss. Es loggt sich im jeweiligen Bezirk in die Datenbanken der Wahl- oder Führerscheinregister ein und sucht sich dort die Namen aller in Frage kommenden Geschworenen zusammen. Auf die Weise kann man sicher sein, immer die aktuellen Daten zur Verfügung zu haben.«
    »Okay«, sagte Alex und nickte.
    »Als Nächstes soll das Programm die Duplikate aussieben – also alle Namen, die in beiden Registern auftauchen. Davon gibt es normalerweise ziemlich viele. So weit alles verstanden?«
    »Noch kann ich dir folgen.«
    »Gut. In der nächsten Phase werden dann die Personen aussortiert, von denen bekannt ist, dass sie nicht in Frage kommen. Weil sie Haftstrafen absitzen oder schon einmal für ein Gewaltverbrechen verurteilt wurden oder in jüngerer Zeit ein geringfügiges Vergehen begangen haben. Alles klar?«
    »Absolut.«
    David legte ein flottes Tempo vor, wofür ihm Alex dankbar war, zumal er gleichzeitig darauf achtete, dass niemand den Anschluss verlor. Er fasste jede Phase kurz zusammen und vergewisserte sich, dass Alex und Andi alles verstanden hatten.
    »Gut, wenn das alles erledigt ist, wählt der Algorithmus nach dem Zufallsprinzip die Geschworenen aus.«
    »Okay, das verstehe ich alles«, sagte Alex ungeduldig. »Aber was ist daran nun manipuliert?«
    »Vielleicht erinnerst du dich, dass ich vorhin gesagt habe, das Programm würde zuerst die Liste potenzieller Geschworener erstellen, dann die Duplikate streichen und danach die eigentliche Auswahl treffen.«
    »Ja?«, erwiderte Alex zögernd.
    »Ich habe keine Ahnung, ob es wirklich Manipulation ist oder ob das Programm nur schlecht programmiert wurde, aber die doppelten Namen werden nicht etwa von der Gesamtliste gestrichen, bevor die Geschworenen ausgewählt werden. Stattdessen wählt das Programm zuerst die Geschworenen aus und streicht dann die Duplikate, falls es denn

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