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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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sich die Anklage im Laufe des Prozesses maßgeblich gestützt hat.«
    »Ich sehe keinen Grund, diesen Antrag abzuweisen, Mrs Jensen. Sie dürfen Steven Johnson in den Zeugenstand rufen, Mr Sedaka. Wird dadurch eine Vertagung notwendig, um ihm die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Tage Vorlaufzeit zu geben, Mrs Jensen?«
    »Mr Johnson ist Beamter, und ich bin mir sicher, dass das Labor ihn jederzeit freistellt.«
    »In diesem Fall wird die Verhandlung um zehn Uhr am Mittwochvormittag fortgesetzt.«

Montag, 24. August 2009 – 11.50 Uhr
    Im kriminaltechnischen Labor von Ventura County ging es genauso hektisch zu wie an dem Tag, als dort die Fingernagelprobe aus dem Bethel-Newton-Fall untersucht worden war. Die Proben aus den Vaginalabstrichen hatte man sofort nach der Vergewaltigung getestet, um das DNA-Profil gegebenenfalls in die landesweite DNA-Datenbank hochladen und mit anderen Fällen abgleichen zu können. Aber nachdem darin keine Sperma-DNA gefunden worden war, hatte sich der Abgleich erübrigt. Wenn die Laboranten überzeugt gewesen wären, autosomale DNA vom Täter in der Fingernagelprobe vorzufinden, hätten sie umgehend weitere Tests durchgeführt, aber ihnen war klar, dass sie darin vermutlich nur Y-STR-DNA finden würden, und die konnte man nicht in die Datenbank hochladen.
    Daher hatten sie sich erst nach Auftauchen eines Verdächtigen und nach Bearbeitung der Referenzproben darangemacht, die Fingernagelprobe zu amplifizieren, die Spender zu separieren und ihr jeweiliges DNA-Profil zu ermitteln.
    Der heutige Tag war wie jeder andere Labortag auch. Beweisproben wurden geliefert, registriert, archiviert, in dringenden Fällen sofort bearbeitet und anschließend schriftlich erfasst. Es ging zu wie in einer Fabrik. Das Laborpersonal hatte zu keinem der zugrunde liegenden Kriminalfälle einen emotionalen Bezug, ob sie nun Blutalkohol, illegale Substanzen oder DNA ermittelten. Sie arbeiteten einfach die Aufgaben ab, die in ihrem Dienstplan standen.
    Steven Johnson war also vollkommen in seine Arbeit vertieft, als die Botin vom Gericht auftauchte. Normalerweise hatten Unbefugte keinen Zutritt zum Labor, aber die Gerichtsdienerin legte dem Sicherheitspersonal ihre Zutrittsberechtigung vor, woraufhin sie sofort durchgewinkt wurde, ohne erst die DNA-Abteilung anrufen zu müssen, in der Steven Johnson arbeitete.
    »Steven Johnson?«, fragte die Botin.
    »Ja?«
    Er lächelte. Junge Männer lächelten oft bei ihrem Anblick. Sie nutzte seinen entwaffneten Zustand dazu, ihm den Umschlag zu überreichen. Er nahm ihn kommentarlos, aber mit fragendem Blick entgegen.
    »Sie sind vorgeladen.«
    Die Gerichtsdienerin hatte schon so viele Botengänge ausgeführt, dass sie normalerweise nicht mehr auf die Reaktion des Empfängers auf eine Vorladung oder richterliche Anordnung achtete. Einzig vor einem möglichen Gewaltausbruch war sie immer auf der Hut, aber in diesem Fall schlossen Johnsons zarter Körperbau und sein sanftmütiges Auftreten diese Gefahr von vornherein aus. Ihr fiel jedoch sofort die Angst auf, die sich schon vor Öffnen des Umschlags auf seinem Gesicht abzeichnete.

Montag, 24. August 2009 – 21.30 Uhr
    Das Hotelzimmer lag im Halbdunkeln, nur auf dem Flur brannte Licht. Andi saß auf dem Sofa und arbeitete an ihrem Laptop. Es war ein frustrierender Tag gewesen, der darin gegipfelt hatte, dass die Richterin ihre Entscheidung bezüglich des Antrags auf Klageabweisung erst einmal vertagt hatte. Jetzt mussten sie darauf hoffen, dass sie morgen den Quellcode bekamen.
    Und dafür gab es keinerlei Garantie. LegalSoft würde so gut wie sicher in Berufung gehen. Ob das Berufungsgericht sich allerdings bereit erklärte, die Berufung zu verhandeln, war eine andere Frage. Falls ja, würde es den Antrag auf Herausgabe aussetzen und eine Anhörung einberufen, zu der alle Parteien erscheinen mussten, was den Prozess um eine weitere Woche hinauszögern könnte. Daher ruhten all ihre Hoffnungen nun darauf, dass das Berufungsgericht den Revisionsantrag ablehnte und die Softwarefirma den Quellcode bis Dienstag um zehn Uhr herausrücken musste. Aber fest darauf zählen konnten sie nicht.
    Die Verteidigung hätte natürlich genauso in die Offensive gehen und Revision gegen die Entscheidung der Richterin einlegen können, ihren durch die bisherigen Erkenntnisse gestützten Antrag auf Klageabweisung abzulehnen. Aber es gab keine Garantie dafür, dass eine solche Revision durchging – die Begründung der Richterin, dass erst eine

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