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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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Dad.«
    »Beschäftigt?«
    »Ich bin immer beschäftigt«, antwortete David und sah sich in seinem vollgestopften Büro um.
    »Wir haben den Quellcode.«
    »Sehr gut! Schick ihn rüber.«
    »Kannst du ihn dir sofort ansehen?«
    »Hab ich doch versprochen.«
    Kaum eine Minute später lud sich David den Quellcode herunter und öffnete ihn. Er sah sofort, dass er recht gehabt hatte: Die ursprüngliche Version ging korrekt vor und entfernte die Duplikate aus der temporären Datenbank, bevor daraus der Auswahlpool erstellt wurde. Aus diesem Grund sah das Programm einen großen Speicherplatz für die temporäre Datenbank vor, aber nur einen kleinen Speicherplatz für das Datenfeld, das Namen und sonstige Daten der Geschworenen enthielt. Bei der dekompilierten Programmversion war es umgekehrt. Das Datenfeld war vergrößert worden, so dass theoretisch sämtliche Namen doppelt hineinpassten. Und die Entfernung dieser Dopplungen fand erst statt, nachdem der Kandidatenpool erstellt worden war. Der Adresszeiger des Programms war von der temporären Datenbank auf das Datenfeld umgelenkt worden.
    Und das konnte nur eines bedeuten: Das Programm war absichtlich manipuliert worden. Jemand hatte sich den Quellcode beschafft, ihn modifiziert, das Programm dann neu kompiliert und die modifizierte Version in Umlauf gebracht.
    Aber wie hatte er das bewerkstelligt? Wie hatte er die Gerichte in derart vielen Bezirken dazu gebracht, die modifizierte Version des Programms zu installieren? Waren da etwa Insider am Werk gewesen? Jemand aus der Softwarefirma?
    Das hätte erklärt, wie die betreffende Person an die Software gekommen war. Und vielleicht auch, wie sie die Gerichte dazu gebracht hatte, die Software zu benutzen.
    Aber hätte jemand von innerhalb der Firma ein Motiv gehabt? Und wäre diese Person geschickt genug gewesen, sich nicht erwischen zu lassen? Oder handelte es sich vielleicht doch um eine äußerst clevere und gerissene Privatperson, die nichts mit der Firma zu tun hatte?
    David hatte keine Möglichkeit, es herauszufinden. Er wusste nur, dass er genug gefunden hatte, um unter Eid aussagen zu können, dass die Software vorsätzlich sabotiert worden war.
    Ihm war klar, dass er mindestens eine schriftliche Aussage oder eine eidesstattliche Erklärung würde abgeben müssen. Vielleicht musste er sogar persönlich vor Gericht erscheinen.
    Er griff nach dem Telefon und rief seinen Vater an.

Mittwoch, 26. August 2009 – 11.40 Uhr
    »Ich bin dennoch nicht überzeugt von der Behauptung der Verteidigung, dass die Tatsachen zusammengenommen eine Verletzung der Grundrechte des Angeklagten darstellen.«
    Sie befanden sich erneut im Büro der Richterin. Ellen Wagner hatte sich von der Verteidigung die neuen, von der Anklagevertretung unwidersprochenen Fakten bezüglich der Software vorlegen lassen und sich dann für eine Stunde zurückgezogen, um in Ruhe eine Entscheidung zu fällen. Weder Anklagevertretung noch Verteidigung hatten weitere juristische Argumente vorzubringen. Beide Parteien hatten das Gefühl, sämtliche Karten bereits ausgespielt zu haben.
    Als sich alle Beteiligten nach Ablauf der Stunde wieder im Büro der Richterin versammelten, machte diese ein ernstes Gesicht. Niemand hatte auch nur die leiseste Ahnung, in welche Richtung sie tendieren würde, bis sie ihr niederschmetterndes Urteil verkündete, das der Gerichtsschreiber fürs Protokoll festhielt: »In Anbetracht der unwidersprochenen Beweise der Verteidigung erkenne ich an, dass die für die Geschworenenauswahl verwendete Software tatsächlich manipuliert wurde und dass die realistische Möglichkeit besteht, dass dies mit der ausdrücklichen Absicht geschah, die Anzahl an Afroamerikanern und eventuell auch anderen ethnischen Minderheiten in den Jurys zu reduzieren.
    Eine realistische Möglichkeit ist jedoch noch lange keine Wahrscheinlichkeit und schon gar keine Gewissheit. Es ist ebenso gut möglich, dass die Person oder die Personen, die die Software manipuliert haben, dies aus Gründen getan haben, die mit Rassendiskriminierung nicht das Geringste zu tun haben. Vielleicht haben sie ja auch in dem Glauben gehandelt, die Software in irgendeiner Weise zu verbessern. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass die Verteidigung keine Beweise dafür erbringen konnte, dass die Modifizierung von jemandem außerhalb der Entwicklerfirma durchgeführt wurde. Es liegt also durchaus im Bereich des Möglichen, dass ein Mitarbeiter von LegalSoft die

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