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Späte Sühne - Island-Krimi

Späte Sühne - Island-Krimi

Titel: Späte Sühne - Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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versuchen«, antwortete Arngrímur, ohne eine Miene zu verziehen.
    Anna drückte ihre Zigarette aus. Arngrímur ging mit ihnen zum Rezeptionsschalter für Besucher.
    »Bitte gebt hier eure Pässe ab, dann bekommt ihr einen Gästeausweis«, sagte er.
    Sie erhielten weiße Plastikkärtchen mit der isländischen Fahne, die sich anklemmen ließen. Anschließend folgten sie Arngrímur durch die Doppeltür, die er mit seiner Chipkarte öffnete, und betraten den Innenhof.
    »Das Haus, durch das wir gerade gekommen sind, ist das Gemeinschaftshaus«, sagte Arngrímur. »Wir nennen es Felleshus, wie ihr gehört habt. Dort ist der Empfang, und dort befinden sich auch Konferenzräume und Ausstellungssäle, ebenso wie die Cafeteria. Zwei der Konferenzräume haben wir heute für unsere Botschaftsangehörigen gebucht. Hier links ist die dänische Botschaft.« Er deutete der Reihe nach auf die einzelnen Gebäude: »Die isländische Botschaft ist dort in der Ecke, dann kommt die norwegische, schwedische und die finnische hier rechter Hand.«
    Draußen vor der finnischen Botschaft sang ein Kinderchor.
    Die Leute waren aus den Botschaften herausgetreten, um den Kindern zu lauschen. Im Schutz der Häuser war es angenehm warm in der Sonne, und es tat gut, an der frischen Luft zu sein. Die Isländer hielten unwillkürlich inne und lauschten dem hellen Gesang ohne jede Instrumentalbegleitung. Der Chor beendete das Lied, und die Zuschauer klatschten. Die junge Chorleiterin verneigte sich und bedankte sich für den Beifall. Dann gab sie einen Ton vor, und der Chor stimmte das nächste Lied an. Arngrímur hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, hielt jedoch wieder inne, als die ersten Töne erklangen. Birkir kannte das Lied, und er hörte, dass die Kinder es auf Isländisch sangen. Die Aussprache war nicht besonders, wie nicht anders zu erwarten, doch die Kinder sangen sehr schön und sauber. Es war ein sehr bekanntes isländisches Lied zu einem Gedicht von Jón Sváfnisson, dem Dichter, der an dem schicksalhaften Abend zu Gast in der Botschaft gewesen war. Ein erstaunlicher Zufall, aber dieses Lied war in der Chorfassung in sämtlichen nordischen Ländern sehr beliebt.
    Wenn hellere Tage und Träume sich mehren,
    rührt dich ein leiser Windstoß an.
    Ich frag nicht nach dem Wie und Woher
    oder wohin er eilen kann.
    Frühling und Freiheit verwehren den Schlaf mir dann.
    Wenn Bäche murmeln und Wiesen grünen,
    drängt sich lockende Sehnsucht heran.
    Dir sing ich die schönsten Lieder,
    die mein Geist erschaffen kann.
    Frühling und Freiheit verwehren den Schlaf mir dann.
    Wenn Berge leuchten und Seen strahlen,
    zieht ein Heer von Wolken heran,
    Ich denke an dich und sehe
    die Welt, die vollkommene an.
    Frühling und Freiheit verwehren den Schlaf mir dann.
    Der Chor sang alle drei Strophen und bekam viel Applaus. Birkir sah seine Begleiter an, die alle lächelnd klatschten. Nur Arngrímur nicht. Er stand wie versteinert da und hatte sich von den anderen abgewandt. Als der Beifall verebbte, warf er rasch einen Blick zurück und machte sich auf den Weg zur isländischen Botschaft.
    Birkir eilte ihm nach und holte Arngrímur ein.
    »Ist die Botschaft heute geöffnet?«, fragte er.
    Arngrímur räusperte sich zweimal, bevor er antwortete. Schließlich sagte er: »Nein, wir hielten es für besser, sie zu schließen, bis ihr mit eurer Arbeit fertig seid. Wie gesagt, die Botschaftsangehörigen sind provisorisch im Felleshus untergebracht. Dort haben sie Zugang zu unserem Netz, und Anrufe werden dorthin umgeleitet. Die konsularischen Dienststellen im Felleshus sind ganz normal geöffnet, und Besucher werden dorthin verwiesen.«
    Sie hatten den Eingang zur isländischen Botschaft erreicht und warteten auf die anderen. Birkir überlegte, ob Arngrímurs Stimme tatsächlich unsicher geklungen hatte, als er antwortete.
    »Bitte sehr«, sagte Arngrímur, als er die Eingangstür öffnete und sie einließ. »Die deutsche Kriminalpolizei war gestern Morgen hier und hat eine erste Untersuchung des Tatorts vorgenommen, damit die Leiche entfernt werden konnte. Wir haben veranlasst, dass sie hier in Berlin obduziert wird. Ansonsten ist alles so, wie es gestern Morgen war.« Arngrímurs Stimme klang wieder normal. »Kommissar Tobias Fischer kommt nachher vorbei und wird den vorläufigen Bericht mitbringen.«
    Birkir blickte aus dem Fenster gegenüber dem Eingang in ein kleines Atrium zwischen dem Haus und der Kupferwand. Der Boden bestand aus schwarzen

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