Späte Sühne - Island-Krimi
Helgi telefoniert, und er hat mir davon erzählt. Entsetzlich, dass so etwas direkt vor der eigenen Nase passiert, und man hat nichts bemerkt.«
»Kannst du mir etwas über die letzten Stunden sagen, als ihr in der Botschaft wart?«
»Leider nein.«
»Wieso nicht?«
»Ich war krank. Normalerweise halte ich mich in Sachen Alkohol zurück, doch an dem Abend habe ich einfach zu viel von dem Cognac getrunken. Ich musste mich auf der Toilette übergeben und bin dort eingeschlafen. Als alle im Aufbruch waren, hat Helgi mich geweckt, indem er an die Tür hämmerte.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Mir ist es peinlich, das zugeben zu müssen, aber so war mein Zustand an dem Abend. Leider.«
»Wie lange hast du schätzungsweise geschlafen?«
»Mindestens eine Stunde.«
»Und währenddessen hat niemand anderes die Toilette benutzt?«
»Nein, ich hatte die Tür zum Flur abgeschlossen. Ich wusste, dass es noch andere Toiletten in den oberen Stockwerken gab.«
»Kanntest du die anderen Gäste?«
»Nein. Natürlich kenne ich Helgi, und Jón bin ich früher schon einmal begegnet. Von den anderen kannte ich niemanden persönlich.«
»Was meinst du mit persönlich?«
»Es sind ja bekannte Leute, deswegen wusste ich natürlich, wer sie waren. Aber ich war nie vorher mit ihnen zusammen eingeladen.«
»Hast du dich an dem Abend mit Anton Eiríksson unterhalten?«
»Nur im Rahmen der allgemeinen Unterhaltung. Ich fand ihn uninteressant.«
»Wie meinst du das?«
»Er wirkte arrogant und unverschämt. Er schien der Ansicht zu sein, dass er der Ehrengast bei dieser Einladung war. Der Sonnendichter gab ihm deutlich zu verstehen, dass das keineswegs zutraf, und danach hielt er sich die meiste Zeit oben auf.«
»Wo oben?«
»Im Büro des Botschafters, um auf Kosten des isländischen Staates zu telefonieren.«
»Bist du auch dort oben gewesen?«
»Helgi und ich führten ein kurzes Gespräch mit dem Botschafter in dessen Büro. Ich habe Aufnahmen gemacht, und wir haben organisatorische Dinge besprochen. Dann bin ich später noch einmal hochgegangen.«
»War Anton dann auch oben?«
»Wahrscheinlich nicht. Ich habe die Toilette oben benutzt, denn unten war besetzt.«
»Was hattest du in Berlin zu erledigen?«
»Ich helfe Künstlern bei der Ausrichtung von Ausstellungen. Helgi und ich haben bereits früher zusammengearbeitet, deswegen bat er mich um meine Hilfe. Vor drei Jahren habe ich in diesen Räumlichkeiten eine Gemäldeausstellung arrangiert, ich kannte also das Ambiente. Trotzdem mussten wir nach Berlin fliegen und uns das gemeinsam ansehen. Eine Ausstellung mit Keramik ist etwas ganz anderes.«
»Kümmerst du dich um den Transport der Exponate?«
»Ja, das übernehme ich meistens. Ich lasse die Kisten von Tischlern anfertigen, kontrolliere das aber alles sehr genau und gebe die Anweisungen.«
»Du hast die beiden Kerzenleuchter verschickt, die auf dem Tisch im Büro des Botschafters standen?«
»Ja, das habe ich.«
»Hast du sie dort im Büro gesehen?«
»Ja, ich habe Helgi und den Botschafter mit den Kerzenleuchtern fotografiert.«
»Da waren sie in Ordnung?«
»Ja, natürlich. Ist etwas nicht in Ordnung mit ihnen?«
»Nein.«
»Gott sei Dank, es sind unschätzbare Objekte. Helgi arbeitet nicht mehr in diesem Stil.«
»Kannst du mir beschreiben, wie das mit dem Transport vor sich gegangen ist?«
»Was haben diese Objekte mit dem Fall zu tun?«
»Wahrscheinlich nichts, aber wir müssen eine Erklärung für gewisse Dinge bekommen.«
»Na schön. Helgi hat eine Liste über die Werke zusammengestellt, die auf der Ausstellung gezeigt werden sollen, und dabei habe ich ihm assistiert. Er beschloss dann, dass diese beiden Exponate vorausgeschickt werden sollten, um sie im Rahmen der Präsentation zu verwenden, und wie gewöhnlich hat er mich darum gebeten, den Transport zu organisieren. Ich habe ihn im Atelier besucht und die Leuchter ausgemessen, und anschließend ließ ich in meiner Werkstatt eine Kiste aus wasserdichtem Sperrholz anfertigen. In die Kiste kam Schaumstoff, der genau für die Objekte zugeschnitten wurde. Und dann bin ich mit ihr zum Atelier gefahren, habe die Leuchter verpackt und die Deckel zugeschraubt. Bei dieser Spezialverpackung konnte nichts passieren. Ein Transportunternehmen hat die Kiste abgeholt und nach Berlin geschickt.«
»Du hast dir die Objekte genau angesehen, bevor du sie verpackt hast?«
»Ja, selbstverständlich.«
»Wie sahen die Böden der Leuchter aus?«
»Sie waren genau
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