Späte Sühne - Island-Krimi
wie bei allen anderen Objekten dieser Art, mit Gips verschlossen und mit den Initialen HK gekennzeichnet.«
»Du hast nichts Ungewöhnliches an ihnen bemerkt?«
»Nein, nichts Ungewöhnliches.«
Gunnar überlegte kurz. »Na, gut«, sagte er. »Mehr will ich im Augenblick nicht von dir wissen. Ich muss dich aber bitten, hierher zu kommen, damit wir dir Finger- und Handflächenabdrücke abnehmen können, um sie mit den Ergebnissen der Tatortanalyse zu vergleichen.«
»Fingerabdrücke? Muss das sein?«
»Ja, so bald wie möglich, bitte.«
»Na schön, ich sehe zu, wann es sich einrichten lässt.«
20:30
Birkir beschloss, sein Versprechen in die Tat umzusetzen und Fabían zu besuchen. Er hatte an diesem Abend nichts anderes vor, und er war ohnehin nicht imstande, an etwas anderes als an diesen Mordfall zu denken. Vielleicht würde Fabían ihm etwas sagen können, was Licht auf die Lebensumstände der Menschen werfen würde, die in der schicksalhaften Nacht zu Gast in der Botschaft gewesen waren.
Nachdem er zehn Kilometer durchs Reykjavíker Westend gejoggt war, aß er die Reste einer Gemüsesuppe und eine Scheibe selbstgebackenes Brot, goss sich einen Zitronentee auf und hörte eine halbe Stunde Musik. Daraufhin zog er sich seinen Mantel an und ging zum Jónshús.
Es lag ganz in der Nähe, und obwohl es gegen Abend empfindlich kalt geworden war, machte er einen Umweg, um den Skólavörðustígur hinaufzugehen. Er sah sich gern die Auslagen der kleinen Geschäfte an, die Kunsthandwerk und andere künstlerische Objekte anboten. Diese kleinen Läden hatten etwas Genügsames. Mit einem älteren Mann, der in einem Hinterhaus eine kleine Goldschmiede betrieb, unterhielt er sich manchmal. Bei ihm war einmal eingebrochen worden, und Birkir hatte den Fall untersucht. Und gelöst. Seitdem schaute er ab und zu bei dem alten Mann vorbei, um mit ihm zu plaudern und die Sicherheitsanlage zu überprüfen. In diesem Viertel war das Sozialgefüge noch intakt.
Als Birkir zum Jónshús kam, öffnete wie zuvor Rakel die Tür. Sie schien nicht überrascht zu sein, Birkir zu sehen.
»Fabían ist in der Küche«, sagte sie und führte ihn hin.
»Willkommen«, sagte Fabían. Er war allein in der Küche, trug einen dicken Baumwollsweater mit Kapuze, die er sich über den Kopf gestreift hatte. Die Hose war aus ähnlichem Stoff, und sie war viel zu groß. Seine Füße steckten in gefütterten Halbstiefeln aus Leder.
»Nimm doch Platz«, sagte er und deutete mit dem Kopf zum Küchentisch. Er schnitt gerade Äpfel in dicke Scheiben.
»Ich bereite gerade die Futterration für morgen früh vor«, fügte er hinzu. »Normalerweise kümmert sich Úlfheiður um die Vögel, aber heute Abend war sie verhindert. Sie ist Wahrsagerin und strickt Pullover. Eine gute Kombination.«
»Wie ist sie als Wahrsagerin?«, fragte Birkir.
»Das geht ihr unterschiedlich von der Hand«, antwortete Fabían. »Manchmal trifft sie aber ins Schwarze, und dann ist es immer von großer Bedeutung. Zwei Jahre vor dem Zusammenbruch der Banken hat sie Jón aufgefordert, sämtliche Aktien, die er von seinen Eltern geerbt hatte, abzustoßen und stattdessen Euros und Dollars zu kaufen. Das war, nachdem sie geträumt hatte, dass die Kunsthochschule in das Haus der Notenbank verlegt werden sollte. So gesehen vielleicht gar keine schlechte Idee.«
Fabían lachte leise und bekam einen Hustenanfall.
»Jón hat auf sie gehört?«, fragte Birkir.
»Ja«, antwortete Fabían, nachdem er sich wieder gefangen hatte. »Und das war ein Glück für diesen Haushalt. Bei der Jahresabrechnung stellen sich meist Defizite heraus, und deswegen ist es gut, auf eine zuverlässige Reserve zurückgreifen zu können. Jón ist sehr großzügig uns gegenüber.«
Fabían legte die Apfelscheiben nebeneinander auf ein Holzbrett und stach den Kern mit einem kleinen runden Gerät aus.
»Die Löcher sind dazu da, um die Äpfel an Zweigen zu befestigen«, sagte er.
Als Nächstes holte er eine Schüssel aus dem Kühlschrank.
»Jörundur hat gestern Lammeintopf gekocht«, sagte er. »Ich habe etwas von dem Fett abgeschöpft. Es ist gut für die Drosseln, zusammen mit Brot.«
Er stellte die Schüssel in die Mikrowelle und stellte sie auf eine Minute.
»Erzähl mir etwas über dich«, bat Birkir.
»Über mich?«
»Ja. Wo bist du geboren? Wo hast du gelebt?«
»Weshalb möchtest du das wissen?«
»Ich bin neugierig. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
»Nein, ich wundere mich nur, denn es
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