Späte Sühne - Island-Krimi
eine Visage untergekommen ist, die einem Schweinearsch so ähnlich sieht.«
Draußen auf dem Flur hörte man schwere Schritte, und die Tür flog auf.
»Was geht hier vor?«, donnerte der Sonnendichter und stürmte ins Zimmer.
Birkir zuckte zusammen, und Fabían hob abwehrend die Hände. »Nur eine nette kleine Unterhaltung«, sagte er. »Ich bekomme nicht so oft Gäste«, fügte er hinzu.
Jón blickte von Birkir zu Fabían und beschloss, sich nicht weiter einzumischen.
»Fabían ist sehr krank«, sagte er zu Birkir. »Wir möchten nicht, dass er unnötigerweise belästigt wird.«
»Manchmal ist es ganz gut, wenn man belästigt wird«, erklärte Fabían etwas pikiert.
»Wir sind auch fertig«, sagte Birkir, griff nach seinem Diktafon und stand auf.
»Kein Grund, die Flucht zu ergreifen«, sagte Jón leicht beschämt.
»Schon in Ordnung«, erwiderte Birkir. »Du zeigst mir, wo es hinausgeht.« Er drehte sich noch einmal zu Fabían um und sagte: »Vielen Dank für das Gespräch. Möglicherweise muss ich mich noch einmal mit dir unterhalten.«
»Es wäre mir ein Vergnügen«, sagte Fabían. »Komm aber vielleicht lieber abends, dann geht es mir immer am besten. Du hast eine angenehme Ausstrahlung.«
»Dann bis bald«, sagte Birkir. Fabían hatte sein Interesse geweckt, und es war bestimmt interessant, sich einmal inoffiziell mit ihm zu unterhalten.
»Darüber würde ich mich sehr freuen«, sagte Fabían.
Birkir verließ das Zimmer und ging die Treppe hinunter. Jón kam hinter ihm her.
In der Diele hielt Birkir inne und fragte: »Ist dir vielleicht noch etwas eingefallen, was uns bei der Ermittlung helfen könnte? Etwas, was du uns in Frankfurt nicht gesagt hast?«
»Komm ins Wohnzimmer«, sagte Jón und bedeutete Birkir, ihm zu folgen.
Das Wohnzimmer war voll mit Möbeln, die ziemlich zusammengewürfelt wirkten. In einer Ecke stand ein großer Flügel, an dem ein junger Mann mit dicker Brille saß.
»Das ist Jörundur«, erklärte Jón. »Er ist Komponist.«
Wie um dies zu unterstreichen, schlug Jörundur zwei Tasten auf dem Instrument an und notierte sich etwas auf ein Notenblatt.
Der Papagei, der Birkir bei seinem Eintreffen in Empfang genommen hatte, befand sich jetzt in einem großen Käfig neben dem Flügel. Er kreischte laut, als der Komponist zwei weitere Töne produzierte.
»Manchmal macht er auch einen brauchbaren Vorschlag«, sagte Jón und deutete auf den Vogel.
»Das ist äußerst selten«, sagte Jörundur. »Er macht bloß Krach.«
»Ist da vielleicht noch etwas, was du mir über diesen Abend in Berlin sagen kannst?«, fragte Birkir wieder.
»Ich habe angestrengt darüber nachgedacht«, sagte Jón. »Soweit ich mich erinnern kann, war der Mann gegen Ende der Party wirklich ganz allein da oben. Hat er sich nicht einfach selber umgebracht?«
»Du bist dir sicher, dass niemand mit ihm hochgegangen ist?«
»Ich weiß nur noch, dass Lúðvík sich auf der Toilette eingeschlossen hat und dort eingeschlafen ist. Einige haben an die Tür geklopft, um ihn zu wecken, und als das nichts nützte, sind sie einfach zum Pinkeln nach oben gegangen. Das hat aber nie lange gedauert. Ich hab ein paar Strophen zum Besten gegeben, und alle haben sich köstlich amüsiert. Wenn jemand auf dem Klo war, hab ich jedes Mal eine Pause gemacht. Auf Anton habe ich natürlich nicht gewartet, weil der praktisch die ganze Zeit oben war. Als Lúðvík rausmusste, hab ich ziemlich lange gewartet, genauer gesagt, bis Helgi nach ihm geschaut hat. Als der zurückkam, sagte er, dass das Klo abgeschlossen wäre, wahrscheinlich hätte Lúðvík kotzen müssen und sei danach auf dem Klo eingepennt. Konráð bot an, nach dem Schlüssel für die Toilette zu suchen, aber Helgi fand, dass man ihn am besten eine Weile in Ruhe lassen sollte.«
»Jón, Jón!« Die kleine Frau, die den Papagei spazieren geführt hatte, kam aufgeregt ins Wohnzimmer getrippelt. »Im Garten ist eine Katze!«, rief sie.
Jón sauste wie ein geölter Blitz aus dem Wohnzimmer und kehrte mit Pfeil und Bogen bewaffnet zurück. Unterdessen hatte die kleine Frau das Fenster geöffnet. Jón eilte zum Fenster und spähte hinaus.
»Da ist sie«, sagte die kleine Frau und deutete mit dem Finger in die Richtung. Der Sonnendichter spannte den Bogen und zielte hinaus in den Garten.
»Wo, wo?«, fragte er hektisch.
»Keine Angst«, sagte eine Stimme neben Birkir. »Er trifft nie.« Rakel war ins Zimmer gekommen. »Außerdem hat der Pfeil nur eine harmlose
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