Späte Sühne - Island-Krimi
Gummispitze«, fügte sie hinzu.
Kaum hatte sie das ausgesprochen, schoss Jón den Pfeil ab. »Habe ich getroffen?«, fragte er.
»Nein«, sagte die kleine Frau. »Aber die Katze ist weg.«
»Das tun diese Viecher immer«, sagte Rakel. »Unsere Vögel wissen, dass ihnen in diesem Garten keine Gefahr droht.«
16:30
Gunnar, Birkir und Magnús hielten Lagebesprechung im Kommissariat. Gunnar ließ sich einen Streifen Kopenhagener schmecken und trank Kaffee aus einem großen Becher.
»Komisch, was für einen Kohldampf man bekommt, wenn man krank ist«, sagte er.
»Du bist doch ewig hungrig«, entgegnete Birkir.
»Aber nicht so schlimm«, entgegnete Gunnar. »Möchtest du ein Stück abhaben?«
»Nein, danke.«
Gunnar wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab. »All diese Männer verweigern uns erstaunlich solidarisch ihre Fingerabdrücke«, sagte er, während er sich ein weiteres Stück von dem Blätterteiggebäck abbrach.
»Ich habe eine gerichtliche Verfügung beantragt«, erklärte Magnús. »Die Unterlagen bekommen wir morgen, und dann knöpfen wir sie uns der Reihe nach vor, wir gehen zu ihnen nach Hause. Dóra und Anna werden sich darum kümmern.«
Birkir nickte. Das war eine akzeptable Regelung. Dóra würde diese Aufgabe geschickt und feinfühlig durchführen. Birkir schätzte sie sehr. Nach einem Verkehrsunfall war sie lange Zeit körperlich nicht fit genug für den Streifendienst gewesen, und man beschäftigte sie mit Büroarbeit in der Abteilung für Gewaltverbrechen. Es stellte sich heraus, dass sie gut mit Menschen umgehen konnte und sehr systematisch und genau arbeitete, Eigenschaften, die bei Ermittlungen besonders wichtig waren. Deswegen erhielt sie die nächste frei werdende Stelle.
Birkir hatte mit Anna über eine Methode gesprochen, wie man Fabían Finger- und Handabdrücke abnehmen konnte, ohne Tinte oder andere chemische Stoffe zu verwenden. Sie wollte es mit einer eingefärbten Glasplatte versuchen.
»Mann, das ist doch echt verdächtig«, sagte Gunnar heftig kauend. »Mir gefällt das nicht, wie einig die sich alle sind. Als hätten sie gemeinsam beschlossen, ihre Fingerabdrücke geheim zu halten. Sehr ungewöhnlich. Zeugen, die nichts zu verbergen haben, sind normalerweise gern bereit, uns zu helfen.«
»Es ist aber ihr Recht«, sagte Birkir.
Gunnar zog eine Grimasse. »Das wäre nicht passiert, wenn man sofort die Kripo in Deutschland an den Fall rangelassen hätte. Die hätten sich die ganze Truppe gleich am Montagmorgen einzeln vorgeknöpft, und dann hätten die gar keine Möglichkeit gehabt, irgendwelche Absprachen zu treffen. Der Schuldige hätte allein und ohne Alibi dagestanden. Uns wäre die Reise erspart geblieben, und ich wäre gesundheitlich besser dran.«
»Das wird sich alles zeigen«, sagte Magnús. »Wir gehen systematisch vor und vergleichen die Handabdrücke. Wenn wir denjenigen gefunden haben, von dem der Abdruck auf dem Schreibtisch stammt, ist der Fall geklärt. In welcher Reihenfolge sollen wir vorgehen?«
»Helgi zuerst?«, schlug Birkir vor.
»Er ist es nicht«, sagte Gunnar. »Ich habe nämlich Handabdrücke von ihm bekommen, ohne sein Einverständnis und ohne dass er es gemerkt hat. Anna hat den Tisch untersucht, an dem er saß, als ich mit ihm sprach. Der Handabdruck, den wir auf diese Weise bekamen, wäre zwar vor Gericht kein unanfechtbares Beweismittel, aber wir konnten ihn zumindest damit ausschließen. Helgi ist nicht unser Mann, genauso wenig wie der Botschafter oder seine Frau. Wir haben uns das bereits angesehen.«
»Also Unnar«, sagte Birkir, »und als Nächster Starkaður.«
Magnús sah Gunnar an, der die Achseln zuckte und anscheinend keine besondere Meinung dazu hatte.
»Und zum Schluss unser Sonnendichter und Fabían«, sagte Birkir. »Falls es keiner von ihnen war, kommt nur noch Lúðvík in Frage.«
Als die Besprechung zu Ende war, verputzte Gunnar den Rest des Blätterteiggebäcks und trank Kaffee dazu. Anschließend wählte er zum zwanzigsten Mal Lúðvíks Handynummer an, und diesmal hatte er Erfolg.
Gunnar stellte sich vor und fragte, ob Lúðvík ein paar Minuten Zeit hätte, um mit ihm zu sprechen.
»Ja«, antwortete Lúðvík. »Die nächste halbe Stunde habe ich nichts vor.«
»Es war ganz schön schwierig, dich zu erwischen. Wo befindest du dich?«
»Auf dem Flughafen in Keflavík. Ich bin vorhin gelandet.«
»Du weißt, weshalb ich dich anrufe, nicht wahr?«
»Ja, wegen des Mordes in der Botschaft. Ich habe vorhin mit
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