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Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Voosen , Kerstin Signe Danielsson
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hatte, Sittlichkeitsverbrechen. Balthasar Frost war der Krankenakte zufolge an Lues Venerea gestorben. Das war der lateinische Name für die Syphilis, auch Franzosenkrankheit genannt. Der arme Hund, eine Geschlechtskrankheit also. Ein natürlicher Tod. Larsson war in seiner Verzweiflung nicht zum Mörder geworden. Aber daran hatte Forss sowieso nicht wirklich geglaubt.
    Sie blätterte weiter in den Unterlagen. Nach den Krankenakten, die mehrere Seiten in Anspruch nahmen, war noch ein dicker, DIN-A4-großer Briefumschlag eingeheftet. Sie nahm den Umschlag aus rauem, terrakottafarbenem Papier aus der Klammerung, öffnete ihn und kippte den Inhalt auf die Tischplatte. Heraus kamen weitere Papiere, eine flache, silberne Dose, eine Geldbörse und ein kleines gebundenes Notizbuch.
    Als Erstes sah sie sich die Papiere an. Soweit sie die Dokumente verstand, waren es Frosts Armeeunterlagen und Entlassungspapiere. Balthasar Frost war als Soldat im Nahen Osten stationiert gewesen, bis er Ende 1946 aus dem Dienst entlassen wurde. Danach musste er sich auf eigene Faust durchgeschlagen haben, bis sein Leben im Hospiz der armenischen Mönche ein trauriges Ende fand.
    Dann sah Forss die Geldbörse durch. Sie enthielt einige alte Pfundnoten und Scheine mit arabischer und mit hebräischer Aufschrift sowie einige Münzen. Außerdem gab es noch zwei Fotos: Das eine war ein sehr gestellt wirkendes Familienporträt, das aussah, als wäre es in den Zwanzigerjahren aufgenommen worden. Der Vater trug einen Anzug, eine Melone auf dem Kopf und hielt ein Buch in der Hand, die Mutter ein langes, weißes Kleid und einen weißen Hut mit breiter Krempe. Beide sahen starr in die Kamera. Vor ihnen waren ihre drei Kinder drapiert, alle jünger als zehn Jahre. Ein Junge in kurzer Hose und Hemd und zwei jüngere Mädchen, die Kleider trugen, die dem ihrer Mutter ähnlich sahen. Keines der Kinder lachte. Forss nahm an, dass der Junge auf dem Bild Balthasar Frost war.
    Das zweite Foto war das Porträt einer jungen Frau. Sie war vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt und lächelte offen in die Kamera. Forss steckte die Fotos zurück in die Brieftasche. Dann schaute sie sich das Notizbüchlein an. Es war mit einer engen, schwer zu lesenden Handschrift auf Englisch beschrieben, das letzte Drittel der Seiten war leer. Die Einträge waren jeweils mit einem Datum versehen, weshalb sie vermutete, dass es sich um Frosts Tagebuch handelte. Als Letztes öffnete sie das silberne Döschen. Es war leer bis auf einen erbsengroßen, schwarzen Klumpen. Forss nahm das Kügelchen zwischen die Finger, drückte mit dem Nagel in die feste, zähe Substanz, roch daran. Sie musste lächeln. Das, was sie da in der Hand hatte, war sechzig Jahre altes Opium. Sie legte die Kugel zurück in die Dose, schloss den Deckel und ließ die Dose in ihre Hosentasche gleiten. Die Papiere, die Brieftasche und das Tagebuch steckte sie zurück in den Umschlag. Anschließend stopfte sie den Umschlag in ihren Hosenbund und unter ihre Bluse. Die Krankenblätter heftete sie zurück in den Ordner, und den Ordner sortierte sie wieder in das Hängeregister, das sie zurück in die obere Schublade hängte. Zuletzt schloss sie die Schublade mit einem lauten Rums.
    Eine halbe Stunde später saß sie in einem Imbiss und aß eine geröstete Fladenbrottasche, die mit Falafel, frischem Gemüse und einer scharfen Soße gefüllt war, es schmeckte ihr ausgezeichnet. Sie trank ihr Glas leer und bestellte eine neue Cola, die dritte, seit sie in dem offenen Straßenimbiss Platz genommen hatte. Die Beute ihres Raubzuges hatte sie neben ihrem Teller auf dem Tisch gestapelt, wie ein Tempelritter, dachte sie. Waren die nicht auch in Jerusalem gewesen, um einen Schatz zu finden? Nach den Römern, Osmanen und weiß Gott wem noch alles. Zu viel Geschichte, dachte Forss, das ist vielleicht das Problem hier, deswegen schlagen sich alle die Köpfe ein. Diese Stadt stapelt ihre Geschichte wie einen Big Mac, und alle wollen malabbeißen. Ein junger Kellner brachte ihr die Cola. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift Peace in the Middle East? Darunter war die Zeichnung eines Strichmännchens, das sich vor Lachen bog und auf die Schenkel klopfte. Zu viel Geschichte auf einem Haufen. Es war Zeit, dass sie wieder aus dieser Stadt verschwand. Allerdings hatte sie vorher noch etwas zu erledigen, das nichts mit ihrem Dienst zu tun hatte.
    6
    Der Wandkalender, in den Love Lindgren ihre Termine eintrug, hing neben dem Tisch in der

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