Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
getrödelt. Als ihr Taxi den Ben-Gurion-Airport erreichte, waren es noch knapp drei Stunden, bis ihr Flugzeug nach Stockholm abheben sollte, und selbst dieser Zeitraum kam ihr sehr großzügig bemessen vor. Die Sicherheitsmaßnahmen begannen, bevor der Wagen überhaupt auf das Flughafengelände fahren durfte. Vor einer Schranke musste jedes Auto anhalten, sämtliche Insassen mussten sich ausweisen, und in den meisten Fällen ließen sich die mit Maschinenpistolen und Automatikgewehren bewaffneten Soldaten auch den Kofferraum zeigen und untersuchten den Wagen mithilfe eines Spürhundes und an Stangen befestigter Spiegel nach Sprengsätzen. Diese erste Barriere kostete zwanzig Minuten. Die zweite Schlange bildete sich am Eingang zur Abflughalle. Die dunkelhäutige Großfamilie, die vor Forss in der Reihe gestanden hatte, wurde von den uniformierten Beamten herausgewinkt, sie selbst musste ihren Reisepass und das Ticket zeigen. Dann war sie endlich im Flughafen. Bis zum Abflug waren es noch zwei Stunden. Bevor sie zu den Schaltern für die Gepäckaufgabe gelangte, galt es zunächst, eine allgemeine Gepäck- und Leibkontrolle zu passieren. Die Schlange war mehr als fünfzig Meter lang, und Forss hatte das Gefühl, pro Minute nicht viel mehr als einen Meter Boden gutzumachen. Beamte in Zivil schritten die Reihen der Wartenden ab und verwickelten die Reisenden in Gespräche, die abrupt in Verhöre umschlagen konnten.
Nachdem Forss und ihr Gepäck durchleuchtet worden waren, gab sie ihre Tasche bei dem SAS – Schalter auf. Noch eine Stunde und zehn Minuten bis zum Abflug. Sie hatte Hunger und schwitzte. Ihren Plan, in der Abflughalle einen neuen Gürtel zu kaufen, hatte sie bereits aufgegeben. Sie machte sich auf den Weg zum Gate. Dazu musste sie nur noch durch die Handgepäckkontrolle und den Zoll. Mittlerweile war sie sehr froh darüber, dass sie das vertrocknete Opiumklümpchen aus Frosts Nachlass nicht bei sich trug, sondern in der Hoteltoilette entsorgt hatte. Nachdem ihre Umhängetasche auf dem Laufband durch die Maschine gefahren war, winkte sie ein Uniformierter zur Seite. Auf einem Tisch musste sie die Tasche ausleeren. Der Beamte fuhr sorgfältig mit einer Art Schwamm durch die Innenseiten der Tasche. Der Schwamm wurde zu einem Apparat gebracht und verschwand in einem Loch. Es summte eine halbe Minute lang, dann blinkte eine blaue Lampe auf. Forss wusste nicht, ob das gut oder schlecht war. Es war wohl gut, denn sie durfte ihr Handgepäck wieder in die Tasche stopfen und weiter zur Passkontrolle gehen.
Die Beamtin blätterte ihren Reisepass gewissenhaft durch und sah Forss prüfend an.
»Jüdisch?«, fragte sie.
»Nein, Touristin«, antwortete Forss.
2
Die südschwedische Zentrale der Autovermietungskette Bonnet lag in Ljungby, keine siebzig Kilometer von Växjö entfernt. Das Firmengebäude, das in einem Gewerbegebiet lag, war in demselben knalligen Orange-Blau gehalten wie der gesamte, landesweit fünftausend Fahrzeuge umfassende Fuhrpark der Firma. Irgendwie prätentiös, diese Farbkombination, dachte Delgado, der irgendwann in der Schule etwas über die Wirkung von Komplementärkontrasten gelernt hatte. Aber schließlich warb die Mietwagenkette auch mit dem Slogan Bonnet – Keiner macht es dir billiger!
Mikael Stengård, der diensthabende – ja, was eigentlich? Geschäftsführer? Auf seinem Namensschild standen jedenfalls vier wichtig klingende englische Wörter, das letzte war manager, die anderen drei hatte Delgado noch nie gehört – Angestellte machte in seiner orange-blau gestreiften Krawatte jedenfalls keinen deutlich seriöseren Eindruck, im Gegenteil, er sah aus wie ein Mensch, der nach der Anzahl der Leichen bezahlt wird, über die er täglich geht.
»Es ist uns eine Ehre«, sagte er und ließ Delgado mit einer unsicher wirkenden jungen Frau vor einem Computer in einem Büro allein. Ihr Namensschild wies sie als Karlotta Mendez und ihre Tätigkeit als IT-Irgendwas aus. Delgado stellte sich und sein Anliegen vor.
»Es geht um den Samstag vor zehn Tagen.«
Karlotta Mendez hackte in die Tastatur.
»Da waren 1365 unserer Wagen verliehen, landesweit gesehen.«
»Und nur im Bereich Kronoberg?«
»Ich kann Landkreise nicht als Filteroption eingeben. Dann müssen wir konkreter nach Städten oder einzelnen Verleihstationen suchen. Sorry.«
»Växjo«, sagte Delgado.
»Okay, mal sehen. In Växjo waren an dem Tag vierzehn Autos vermietet. Drei Verleihstationen haben wir dort. Am Bahnhof, am
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