Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
»Erlandsson« war in blauer Druckschrift im Sichtfenster zu lesen.
Auf dem Hof schlug ein Hund an. Knutsson stapfte die geschotterte Auffahrt hinauf, dem Bellen entgegen. Ein paar Meter vor dem Haus stieg ihm ein unverwechselbarer Geruch in die Nase: Schweinebraten.
5
Mona Wedén lehnte sich in ihrem Bürostuhl zurück undsah an die hohe Decke, die weiß getüncht war wie die Wände des Zimmers. Das Bürgerhaus aus dem 19. Jahrhundert, in dem der ambulante Pflegedienst Veteranen seine Räume hatte, stand in der Straße hinter dem Bahnhof und war eine der teuersten Immobilien Växjös. Wedén trug einen Hosenanzug in Aubergine und darunter einen weißen Angora-Pullover. Auch ihre Kleidung gehörte vermutlich zum Teuersten, was an diesem Tag in Växjö zu bewundern war.
Hultin folgte dem Blick der jungen Geschäftsführerin, und Göran Lindholm, der junge Polizeianwärter, tat es ihr nach. Wedén betrachtete die Lampe, die gut zwei Meter über ihrem gläsernen Schreibtisch von der Decke baumelte. Sie war aus weißem Glas und blank geputztem Silber, verziert mit glitzernden Ornamenten. Sie ahmte die Form einer in sich verdrehten, trompetenförmigen Blüte nach, deren Kelch so breit wie ein Lkw-Reifen war. Die Lampe sah aus, als würde sie eine halbe Tonne wiegen.
Hultin kannte die Lampe. Sie hatte sie vor ein paar Monaten im Schaufenster des Möbelladens in Lammhult gesehen. Ein schneller, verschämter Blick auf das Preisschild hatteihr jedoch klargemacht, dass die Blütenlampe nicht für das Budget einer Kriminalbeamtin gedacht war. In diesen hohen, hellen Raum passte sie gut. Sie harmonierte mit dem Flachbildschirm, den Wedén sich an die Wand hinter den Schreibtisch hatte hängen lassen und der so groß war wie Hultins Schreibtisch im Polizeihaus. Sie passte auch gut zu dem Angora-Pullover der Geschäftsführerin.
Die Frage, die ihr Anette Hultin gestellt hatte, war eigentlich nicht so schwierig gewesen: »Was fällt dir zu eurem Kunden Balthasar Frost ein?«
Wedén sah weiter zur Lampe. Hultin beschlich der Verdacht, dass ihr Blick nur scheinbar zufällig dort hochgewandert war, vermutlich sah Wedén immer mit Absicht zurDecke und zur Lampe, wenn sie Besuch bekam.
»Also? Balthasar Frost?«
»Balthasar Frost ...«, sagte sie und streckte ihren Rücken gerade. Ihre Brüste schoben sich nach vorne und spannten den Saum des Angora-Pullis.
Polizeianwärter Lindholm, einundzwanzig, rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Er wusste nicht so recht, wohin er seinen Blick richten sollte. Schließlich sah er auch hoch zur Lampe. Hultin verdrehte die Augen.
»Intelligent war er. Höflich«, fuhr Wedén fort. »Altmodisch in seinen Manieren, ein bisschen umständlich. Aber charmant. Schmeichelnd. Ja, vielleicht sogar flirtend. Soweit ich das beurteilen kann.«
Sie lächelte.
»Ich glaube, er war einsam. Allein. Da waren natürlichseine Schmetterlinge und die Kalligrafie. Aber Freunde? Hm ... einen gab es da wohl, mit dem er regelmäßig gemalt hat. Nur wie der heißt ...«
»Axelsson«, sagte Hultin.
»Möglich. Ich fürchte, ich kann euch nicht recht weiterhelfen. Als Geschäftsführerin bin ich hier mehr für das große Ganze verantwortlich. Ihr solltet euch mit Marianne unterhalten. Sie ist die Agentin, die Frost regelmäßig betreut hat.«
»Die Agentin?«
»Ja, so nennen wir alle unsere Pflegedienstmitarbeiter. Wieso?«
»Nichts. Wann war sie denn zuletzt bei ihm?«
Wedén beugte sich über ihren Glasschreibtisch und tippte etwas in ihren Computer ein. Hultin wunderte sich, dass dabei keiner ihrer stattlichen, weiß lackierten Fingernägel abbrach. Und sie sah jetzt erst, wie tief der Angora-Pullover von Frau Wedén ausgeschnitten war. Betreten schaute sie wieder hoch zur Lampe. Es war wirklich eine besonders schöne Lampe. Aber für ihr Esszimmer wäre sie im Grunde viel zu protzig.
»Gestern Nachmittag war unsere Agentin dort, von eins bis drei. Vielleicht ... vielleicht ...«, jetzt klang sie beinahe aufgeregt, »... war Marianne diejenige, die Frost zuletzt lebendig gesehen hat?«
»Dann hätten wir unseren Mörder ja gefunden«, sagte Hultin.
6
Gudrun Erlandsson schenkte zum dritten Mal Kaffee nach. »Sie mahlt ihn von Hand, weißt du«, sagte Holger Erlandsson. Er sah zu seiner Frau. Sie stellte die Kaffeekanne zurück auf das Stövchen neben dem Herd. Ihr dicker geflochtener Zopf baumelte auf dem Rücken hin und her.
»Obwohl beim ICA-Maxi unten in Växjö jetzt auch eine automatische
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