Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
das?«
»Dieser Mann ist am Samstagabend draußen bei Ramnåsa getötet worden. Dort, wo du mit deinem Taxi herumgefahren bist. Und du hast wirklich nichts gesehen?«
»Nein, ich habe nichts gesehen, gar nichts. Ich kenne diesen Mann nicht, von dem du sprichst, es war eine normale Fahrt. Ich helfe der Polizei, ich zahle Steuern. Wie jeder andere schwedische Staatsbürger. Aber dafür muss man hart arbeiten. Und das werde ich jetzt wieder tun, wenn du nichts dagegen hast.«
Dohuk war lauter geworden. Und um seine Worte zu unterstreichen, hatte er auf die Tischplatte geschlagen, nicht allzu fest, aber fest genug, um den Espresso zum Überschwappen zu bringen. Knutsson sah, wie sich der braune Sud auf der Untertasse in das kleine Stück Mandelgebäck fraß, das die Frau hinter der Bar neben der Tasse platziert hatte. Schade drum, dachte er. Dohuk hatte seinen Blick in Richtung des Gebäcks bemerkt und stand mit einem irritierten Gesichtsausdruck auf.
»Ein Taxi, das nicht fährt, verdient auch keine Steuergelder«, sagte er. Dann griff er nach den eleganten Lederhandschuhen, die vor ihm auf dem Tisch lagen.
»Danke, dass du uns geholfen hast. Du kannst jetzt wieder zu deiner Arbeit gehen. Aber vielleicht müssen wir uns noch einmal bei dir melden«, beeilte sich Knutsson zu sagen. Melin Dohuk nickte ihm mit gerunzelter Stirn zu, drehte sich um und verließ das Café. Noch bevor sich die Tür zur belebten Fußgängerzone wieder geschlossen hatte, schoss Knutssons Hand hervor, angelte sich das aufgeweichte Gebäckstück von Dohuks Tasse und ließ es in einer eleganten Bewegung in seinem Mund verschwinden.
4
Sie sah ein wenig aus wie Björk. Das war das Erste, was Göran Lindholm dachte, als Liisa Raitolaa, die Mitarbeiterin der Stadtbibliothek, ihn und Hultin in ihr kleines Büro bat. Hört heute eigentlich noch jemand Björk, fragte er sich. Aber Liisa Raitolaa kam nicht aus Island, sondern aus Finnland. Und das hörte man ihrem Schwedisch auch an. Göran Lindholm fand den Akzent ziemlich süß. Allerdings konnte das auch an Raitolaas Äußerem liegen. Hultin fand den finnischen Akzent überhaupt nicht süß, um genau zu sein, regte er sie sogar auf. Dass so viele finnischstämmige Menschen in Schweden lebten, musste man wohl hinnehmen, schließlich waren die Schicksale der beiden Länder eng miteinander verflochten, obwohl Finnland eigentlich einmal eine Provinz von Schweden gewesen war, aber dass eine so exponierte und öffentliche Stelle wie die der Pressereferentin der Stadtbücherei mit jemandem besetzt wurde, der die schöne schwedische Sprache derart ... ja, was eigentlich? Verunglimpfte? Verstümmelte? Verhohnepipelte? Jedenfalls: Wer einen derartig starken ausländischen Akzent hatte, der musste nicht gerade Pressereferentin werden. Und diese Frisur! Dieses finnische Persönchen hatte ihre langen dunklen Zöpfe wie Spiralen um die Ohren gewickelt, wie zwei überdimensionierte Zimtschnecken sahen die aus! Oder, nein, jetzt hatte sie’s! Wie Prinzessin Leia aus Star Wars ! Und so was empfing hier die Leute!
Raitolaa bat die beiden Polizisten, auf einem schmalen Rattansofa Platz zu nehmen, das ihrem unaufgeräumten Schreibtisch gegenüberstand. Das Sofa war im Grunde viel zu eng für zwei Personen, Lindholms und Hultins Oberschenkel klemmten aneinander. Das Büro war überheizt, und Hultin bereute nach wenigen Augenblicken, dass sie ihre Daunenjacke nicht ausgezogen hatte. Lindholms Jacke lag auf seinem Schoß, was ihm allerdings erschwerte, an seinen Notizblock zu gelangen, der sich in der Umhängetasche befand, die er sich zwischen seine Füße geklemmt hatte. Hultin versuchte, ihr Diktiergerät hervorzukramen, das sie in der Innentasche ihrer Jacke verwahrte; angesichts der Sitzsituation ein äußerst umständliches Unterfangen, das sie nach mehreren Versuchen abbrach. Unterdessen plauderte Raitolaa munter drauflos.
»Mit Balthasar Frost hatte ich häufiger zu tun in den vergangenen Jahren. Ein so gebildeter Mann! Er hat bei uns häufiger Vorträge gehalten. Und nicht nur hier, auch in Alvesta, Ljungby und Tingsryd. Er ist sogar in das berühmte Schmetterlingshaus in Stockholm eingeladen worden, kein Wunder, er hat ja viel über Schmetterlinge gewusst. Über Schmetterlinge, Insekten, Zierpflanzen, Gartenbau, eigentlich über sehr vieles, was mit Natur zu tun hatte. Besonders im Linné-Jahr gab es eine riesige Nachfrage, wie ihr euch denken könnt.«
Raitolaa schenkte den Polizisten Kaffee ein.
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