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Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Voosen , Kerstin Signe Danielsson
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gesprochen hatte. Sie zeigten Schwarz-Weiß-Fotografien von halb bekleideten Jünglingen, die in südländischen Landschaften posierten. Die Aufnahmen erinnerten sie an Bilder von griechischen Statuen. Sie hatte sich etwas ganz anderes vorgestellt, etwas Anrüchiges. Pornografie. Das Wort mochte sie nicht. Es tat ihr weh, es überhaupt zu denken. Ein wenig erleichtert nahm sie Platz. Axelsson schlurfte in die Küche, um Tee zu holen. Auf dem Tisch vor ihr waren bereits Tassen gedeckt. Kurz musste sie an das Teeservice in Frosts Wohnzimmer denken. Trotz der Uhrzeit hatte sie den Eindruck, dass Axelsson auf jemanden gewartet hatte, wahrscheinlich auf sie. Neben den Teetassen lag eine begonnene kalligrafische Arbeit. Sie bewunderte die fremden Schriftzeichen, die mit geschickter Hand auf das feste, bräunliche Papier gemalt worden waren.
    »Das ist Japanisch. Es bedeutet in etwa Ruhe sanft, mein starker Prinz .«
    Axelsson stand mit der Teekanne im Türrahmen.
    »Ich kann leider kein Japanisch, aber es gibt Tabellen, die die Zeichen übersetzen. Diese Arbeit hier soll die Vorlage für Balthasars Grabstein werden. Siehst du das Papier? Das haben wir gemeinsam hergestellt aus den Maulbeerfasernin seinem Garten. Man nennt es Kouzo, eine traditionelle japanische Technik. Man zerschneidet die Rinde des Baumes nicht, sondern klopft die Fasern weich, dabei entsteht die besondere Struktur des Papiers, hier, siehst du, wie es sich verändert, wenn man es gegen das Licht hält?«
    Der große, alte Mann hatte den Bogen genommen und hielt ihn unter das bläuliche Licht einer Halogenschreibtischlampe. Langsam bewegte er das Papier hin und her und legte es schließlich wieder zurück auf den Tisch. Seine Bewegungen waren vorsichtig, fast zärtlich.
    »Ich möchte einen Bildhauer finden, der dieses Muster auf Stein übertragen kann. Das hätte Balthasar gefallen.«
    Axelsson griff nach der Kanne und goss ihnen ein. Dann setzte er sich zu Nyström an den Tisch. Im Sitzen sah er viel kleiner aus. Er sah aus dem Fenster in die Dunkelheit, in der irgendwo die Apfelbäume standen. Er sinkt in sich zusammen, dachte Nyström.
    »Probier deinen Tee, der ist aus Maulbeerblüten gemacht. Er schmeckt ein wenig unkonventionell, aber er erfrischt und soll gut für die Schleimhäute sein, sagt man. Überhaupt ist die Maulbeere eine völlig unterschätzte Frucht hierzulande. Das ist im Fernen Osten anders. Man kann aus den Beeren sogar Marmelade kochen.«
    Er sah sie nicht an, während er sprach. Er war bei seinen Maulbeerblüten oder draußen, bei den Apfelbäumen.
    Nyström trank von dem Tee. Er schmeckte säuerlich, aber gut. Sie wartete ab. Sie spürte, dass Axelsson zu erzählen beginnen würde. Der alte Mann sah weiter aus dem Fenster, feiner Regen sprühte immer neue Punkte auf die Scheibe, dennoch schien ihre Zahl nie zuzunehmen.
    »Ihr habt es natürlich herausgefunden«, sagte er schließlich.
    2
    Göran Lindholm nahm das schwere, in Leder gebundene Fotoalbum, das Nyström und Forss in der vergangenen Nacht bei Frost gefunden hatten, und blätterte es Seite für Seite durch. Auf den ersten Seiten fanden sich relativ kleinformatige Schwarz-Weiß-Abzüge, manche sogar mit Wellenanschnitt. Diese Bilder hatten noch keinen industriellen Datumsstempel auf der Rückseite, aber aus der Kleidung der Menschen schloss Lindholm, dass sie in den Fünfzigerjahren aufgenommen worden waren. Neben zwei Porträtaufnahmen von Frost und dem unbekannten Mann dokumentierten die meisten anderen Fotos Feiern und Zusammenkünfte in kleinerem Kreis. Außer Frost und seinem Freund waren selten mehr als zwei, drei andere Männer auf den Bildern zu sehen. Auf einem Foto trugen alle Anwesenden kleine Papierhütchen mit aufgedruckten Krebsen und Hummern, auf einem anderen zeugte ein geschmückter Tannenbaum von einer Weihnachtsfeier. Die darauffolgenden Fotos waren bunter und die Männer älter. Schnurrbärte, Kinnbärte, Koteletten kamen und gingen, Krawatten wurden schmaler, dann wieder breiter, dann wieder schmal. Sämtliche Fotos hatten den Charakter von Schnappschüssen. Es gab Urlaubsfotos aus Hawaii und Hamburg, Rio de Janeiro und Amsterdam, New York und Tel Aviv. Geburtstagsfeiern, Silvesterabende, auch eine Beerdigung war dabei. Lindholm hatte ein Familienalbum vor sich, nur dass die Frauen und Kinder fehlten. Er klappte das Album zu. Wie in dem ganzen Haus wies nichts darauf hin, wer Frosts Lebenspartner gewesen sein könnte. Ein ewig lächelnder Mann mit

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