Spaghetti in flagranti
trösten. Das war doch schon mal was. Nur leider wollte es nicht so recht über die Enttäuschung hinweghelfen, dass er sich für meinen Geschmack viel zu selten meldete.
Es hatte sich nichts daran geändert, dass Otto weder gern telefonierte noch mailte, aber man wird sich ja wohl noch einbilden dürfen, dass ein Mann aus Gründen der Verliebtheit Dinge tut, die er sonst nie tut. Ja, darf man – es nutzt bloß nichts.
Meine Antrieblosigkeit war nicht nur stimmungssenkend, sondern ging allmählich auch ins Geld. Während Ottos Aufenthalt in Riccione hatte ich nicht gearbeitet und von meinen kümmerlichen Ersparnissen gelebt, aber die waren inzwischen komplett aufgebraucht, und ich hätte mir dringend einen Sommerjob suchen müssen. Hätte, wohlgemerkt – aufraffen konnte ich mich leider gar nicht. Auf die üblichen schlechtbezahlten Schuftereien als Rezeptionistin im Hotel, Bedienung in einer Strandbar oder Pizzeria oder als Aushilfe in der Touristeninformation hatte ich keine Lust. Anständige Bürojobs waren kaum zu bekommen, jedenfalls nicht befristet, und bei babbo im Wettbüro hatte ich vorletztes Jahr schon mal gearbeitet: einmal und nie wieder! Blieb Nachhilfe für Schüler, die Mitte Juni ein schlechtes Zeugnis erhalten würden und am Ende des Sommers eine Nachprüfung ablegen mussten. Aber von den ebenso geizigen wie ehrgeizigen Eltern bekam man kaum mehr als sechs Euro die Stunde. Das klang alles nicht ideal, doch wenn ich ab September tatsächlich in Cesena arbeiten würde und mir eine eigene Wohnung leisten wollte, musste ich dringend etwas tun. Und von einem eigenen kleinen Auto träumte ich ja auch seit längerer Zeit.
Zumindest was Letzteres anging, hoffte ich auf die Unterstützung meiner Eltern. Mein Vater liebäugelte mit einem Jahreswagen, und es würde mir rein zufällig nicht das Geringste ausmachen, unseren klapprigen Punto zu übernehmen. Unentgeltlich, versteht sich – da war ich großzügig. Eigentlich müsste er mir noch Geld dazugeben, wenn ich ihm die Schrottmühle abnahm, fand ich. In Zahlung würde er sie für den neuen Wagen jedenfalls kaum geben können.
Nach dem Abendessen, bei dem mein Vater seit langem mal wieder richtig gut gelaunt gewesen war, wagte ich einen ersten Vorstoß in diese Richtung. Schließlich hatten meine Eltern mir beigebracht, dass man Gelegenheiten beim Schopf packen musste, wenn sie sich einem boten, und der Augenblick war günstig wie selten. Nonna war mit ihren Freundinnen unterwegs, die Zwillinge in ihrem Zimmer und mamma noch in der Küche. Ich brachte ihm also seinen caffè ins Wohnzimmer und setzte mich zu ihm aufs Sofa. Er hatte sich den Corriere della Sera vorgenommen und studierte die Kleinanzeigen. Wie passend!
»Na, was macht die Autosuche?«, begann ich möglichst unverfänglich. »Hast du schon einen Wagen im Auge?«
Überrascht von meinem ungewohnten Interesse in Sachen fahrbarer Untersatz, sah er auf und fragte: »Wieso?«
»Och, nur so.«
Ein kritischer Blick, eine hochgezogene Augenbraue. »Du willst doch was von mir.«
»Wie kommst du denn darauf?« Ich gab mich entrüstet.
Er seufzte. »Ich kenne meine älteste Tochter. Du servierst mir hier bestimmt nicht umsonst einen caffè . Oder?«
Ich atmete tief ein und zögerte kurz, ehe ich ihm meinen Vorschlag so beiläufig wie möglich unterbreitete.
»No« , war alles, was mein Vater dazu zu sagen hatte.
Mamma kam herein und setzte sich zu uns. Ihr Blick wanderte zwischen uns hin und her, aber sie sagte nichts, sondern hörte nur zu.
»Wie jetzt?« Mein bemüht freundlicher Tonfall drohte einen zickigen Unterton zu bekommen. »Das ist doch eine super Idee, wenn ich den Punto noch ein bisschen fahre. Was willst du denn sonst machen mit der alten Kiste?«
»Vielleicht kommt ja eines Tages Roman Abramowitsch auf dich zu und gesteht dir, dass er dein Vater ist«, sagte er spöttisch. »Dann kannst du ihn gerne fragen, ob er dir sein altes Auto gibt. Ich tu es jedenfalls nicht.« Damit wandte er sich ab und widmete sich wieder seiner Zeitung.
Es verschlug mir die Sprache. Jedenfalls für ein paar Sekunden. »Aber … aber … das kannst du doch nicht machen!«, stammelte ich dann, und meine Enttäuschung war nicht mal gespielt.
»Wieso nicht?« Er gab sich ungerührt.
»Weil du … mein babbo bist.«
Er feixte. »Das ist mal ein schlagkräftiges Argument.«
»Nun sei doch nicht so, Aldo«, bot mamma mir Schützenhilfe und kraulte ihm den Nacken. Das hatte noch immer
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