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Spaghetti in flagranti

Spaghetti in flagranti

Titel: Spaghetti in flagranti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Troni
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gerne noch bleiben, aber ich will Vale jetzt nicht alleinlassen.«
    »Wartet, ich sage nur kurz den anderen Bescheid, dann fahre ich mit euch. Die Lust zu feiern ist mir sowieso vergangen. Arme Vale!« Er drückte sie an sich und rieb mit der Hand über ihren Oberarm. Offenbar hatte der Alkohol keinen Einfluss auf sein übergroßes Herz.
    Zehn Minuten später saßen wir zu dritt auf der Rückbank des Taxis, die schniefende Vale in der Mitte. Otto begleitete sie noch zur Tür, wie es sich für einen Gentleman gehört, und ich war stolz auf meinen fürsorglichen Freund.
    Auch wenn der Abend ganz und gar nicht so verlaufen war, wie ich mir das vorgestellt hatte, überlagerten meine Sorge und mein Mitleid für meine beste Freundin alle egoistischen Wünsche, die ich in Bezug auf Otto hatte. Außerdem hatte er mir heute Abend nicht nur seine bisher verborgene italienische Seite offenbart, sondern auch seine mitfühlende, liebevolle deutsche. Und die gefiel mir sehr gut.

11.
    Otto war erst seit vier Tagen, zwei Stunden und neununddreißig Minuten weg und ich hatte das Gefühl, dass die Zeit langsamer dahinkroch als eine Schnecke über ein mit Holzleim eingeschmiertes Brett. Wie sollte ich das bloß vier lange Wochen durchhalten? Das Display meines telefonino war schon ganz abgenutzt, so oft war ich in den letzten Tagen mit dem Zeigefinger darübergefahren, um nachzusehen, ob nicht doch eine SMS von Otto eingegangen war. Vielleicht war ja der Hupton kaputt oder ich hatte ihn aus Versehen ausgestellt – vor einer halben Minute etwa, als ich zum letzten Mal nachgesehen hatte, ob eine SMS von Otto eingegangen war.
    Aber nichts dergleichen.
    Mit zwei Kissen im Rücken saß ich am Spätnachmittag auf meinem Bett, den MP3 -Player mit Vasco-Rossi-Songs voll aufgedreht, und konnte nichts mit mir anfangen. Ich war so deprimiert, dass ich nicht mal Lust hatte, nach nebenan zu gehen und mit meinen Schwestern zu streiten – und das wollte was heißen. Vale war leider ebenso schlecht drauf wie ich, wenn nicht noch mieser. Sie heulte sich wegen Giorgio die Augen aus, und ich tat mein Möglichstes, um sie zu trösten. Meine Stimmung hob sich dabei allerdings nicht.
    Wie schon ungefähr eine Million Mal zuvor, schloss ich die Augen und dachte an Ottos letzten Kuss. Seine Lippen waren so warm und weich und … Ach, der Kuss war viel zu kurz gewesen.
    Letztlich war der ganze Abschied am Flughafen in Miramare kurz und schmerzlos gewesen und damit ganz in meinem Sinne. Ich hatte durchaus ein paar Talente und konnte manches sogar richtig gut, nur Abschiede fielen definitiv nicht darunter. Der letzte Kuss hätte trotzdem ruhig ein bisschen länger ausfallen dürfen.
    »Okay, ich bringe dich zum Flughafen, aber ich werde nicht noch ewig mit dir dort rumstehen und mich heulend an dir festklammern«, hatte ich Otto bei unserem letzten gemeinsamen Frühstück eröffnet, damit er nicht enttäuscht war. »Das überlebe ich nicht.«
    Die Ankündigung hätte ich mir sparen können – er war ein Mann, ein bayerischer dazu, der um nichts viele Worte machte.
    »Passt schon«, hatte er nur gesagt und in sein Salamibrötchen gebissen.
    So viel zu meinem Versuch, aus dem Mann in Sachen Frühstück einen Italiener zu machen …
    Erstaunlicherweise hatte meine Familie sich zurückgehalten und uns freiwillig allein zum Flughafen fahren lassen. Na ja, zia Marisa hatte Kreuzschmerzen, babbo war wegen einer Steuerprüfung im Wettbüro unabkömmlich, mamma und nonna hatten ein Einsehen mit mir und die Zwillinge hatte ich mit einem Lidschatten und meinem neuen Lippenstift bestochen, aber egal. Hauptsache, die letzten Minuten mit Otto gehörten allein mir. Eines hatte meine Mutter jedoch nicht über sich gebracht: ihren Versorgungstick im Zaum zu halten. Sie hatte Otto ein Carepaket von der Größe eines mittleren Schuhschranks mit auf den Weg gegeben. Auch wenn sie sich im letzten Jahr mit eigenen Augen davon hatte überzeugen können, dass in München die Supermarktregale gut gefüllt waren und niemand Not leiden musste, war sie nicht davon abzubringen. Nonna hatte noch zwei Portionen selbstgemachte Bauchnabel dazugesteckt.
    »Danke für alles, bin gut angekommen« und »Vermisse dich auch« war bisher alles, was ich von meinem Freund gehört hatte, seit er in die Maschine Richtung Heimat gestiegen war. Das machte ziemlich genau 0,02 Nachrichten pro Stunde – ein verdammt schlechter Schnitt. Immerhin weiß ich, dass er noch lebt, versuchte ich mich zu

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