Spaghetti in flagranti
fiel mir im Eifer des Gefechts gar nicht auf.
»Das glaub ich dir sofort!«, rief sie. »Da haben wir’s schon. Was willst du mit so einem Typen?« Dann holte sie das nächste Totschlagargument aus der untersten Schublade hervor. »Das passt bestens dazu, dass der deutsche Mann am Pool morgens erst mal seine Liege mit einem Handtuch reserviert, bevor er zum Frühstück geht. Das ist doch total peinlich und …«
»… übrigens typisch Engländer«, fiel ich ihr ins Wort.
Meine beste Freundin gab nicht auf. »Was ist damit, dass man jeden Deutschen auf Anhieb erkennt, weil er vor dem Betreten eines Restaurants erst mal eine halbe Stunde die ausgehängte Speisekarte studiert, als wollte er die Preise auswendig lernen? Das ist ein absolutes No-Go! So einen Geizkragen von einem Mann könntest du mir auf den Bauch binden …«
»Das hat Otto noch nie gemacht«, stieß ich empört hervor und hieb mit der flachen Hand auf die Bettdecke. »Was laberst du überhaupt für einen Müll? Das sind alles total abgeschmackte Klischees, die du da von dir gibst. Die bringen uns keinen Schritt weiter. Fehlt nur noch: Die chronisch unzufriedenen Deutschen jammern und nörgeln den ganzen Tag.«
Statt die Ironie in meiner Antwort zu erkennen, stieg Vale voll drauf ein. »Ja genau, und verklemmt sind sie auch noch. Ihnen fehlt jede Leichtigkeit, alles wollen sie perfekt machen, selbst beim Flirten. Dabei ist das ein Spiel! Ein Wunder, dass diese verkrampften Typen sich überhaupt fortpflanzen.«
Ich fühlte mich ertappt, denn genau das hatte ich auch mal gedacht. Zugegeben: Ich war vor anderthalb Jahren selbst mit jeder Menge Vorurteile und Stereotypen im Gepäck nach München gereist. Zwar hatte ich mich schnell eines Besseren belehren lassen, aber unvoreingenommen war ich nicht gewesen. Meine mamma dagegen nahm die Menschen, wie sie waren, und es war ihr schnurzpiepegal, ob diese oder jene Eigenschaft nun deutsch, italienisch oder armenisch war. Wieso nur hatte ich dieses Gen nicht von ihr geerbt? Statt ihrer Neigung zu leichtem Übergewicht zum Beispiel …
»Jetzt lass uns hier nicht über dämliche deutsche Eigenschaften reden, die niemanden interessieren. Wir wollten eine Liste machen, um herauszufinden, ob der deutsche oder der italienische Mann besser für eine Beziehung ist«, ermahnte ich Vale und mich gleichermaßen.
»Stimmt ja«, sie klang spöttisch, »wie konnte ich das nur vergessen? Also«, sie lehnte sich zurück, »die Italiener sind besser im Bett. Definitiv.«
»So ein Quatsch!«, entfuhr es mir. »Woher willst du das wissen? Hast du denn überhaupt einen Vergleich?«
»Nicht direkt«, gab sie zu.
»Siehst du! Allerdings denken die Italiener ständig an Sex, das nervt«, versuchte ich die Ehre des schüchternen deutschen Mannes zu retten.
Vale feixte. »Vergiss es, das tun die Deutschen auch. Nur leider verschwenden sie den Großteil ihrer Energie darauf, es sich nicht anmerken zu lassen. Deshalb ist der Sex mit ihnen auch so schlecht, weil sie sich vorher schon total verausgabt haben.«
Ich schnaubte. »Der Sex mit Otto ist nicht schlecht!«
»Echt nicht?«
Ich zog sie an den Haaren und sagte: »Jedenfalls muss er sich vorher keinen Mut dazu antrinken!«
»Wow! Aber um irgendwelche dahergelaufenen Blondinen anzusprechen, muss er sich von deinem Onkel coachen lassen. Wie peinlich ist das denn?«
»Erinnere mich gefälligst nicht an den Abend.«
Versöhnlich hob Vale beide Hände. »Okay, okay. Ein bisschen phantasielos sind sie aber schon, die Deutschen. Italienische Männer sind viel romantischer, galanter, großzügiger. Was will eine Frau mit einem Kerl, der nicht weiß, wo die Scheine in seinem Portemonnaie sind, und der seine Kreditkarte ständig schont, anstatt sie zu benutzen? Wir brauchen einen Mann, der uns die Welt zu Füßen legt, und keinen, der uns vorrechnet, was er letzte Woche schon alles für uns bezahlt oder gekauft hat.«
»Dafür meinen deutsche Männer es oft ernster, wenn sie sich verliebt haben, und sie sind eher treu. Denk nur mal an Giorgio«, hielt ich dagegen.
»Danke, das habe ich gebraucht«, erwiderte sie.
»Scusa« , entschuldigte ich mich sofort. »So kommen wir irgendwie nicht weiter«, meinte ich dann. »Lass uns schlafen.«
Vale wirkte erleichtert. »Okay«, sagte sie, dann machte sie das Licht aus.
Natürlich konnte ich nicht einschlafen, sondern führte die Liste in Gedanken fort, nur ersetzte ich »Italiener« durch »Gianmarco« und »Deutsche« durch
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