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Spaghetti in flagranti

Spaghetti in flagranti

Titel: Spaghetti in flagranti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Troni
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Tisch zu setzen, dann feiere ich eben nicht«, verkündete sie knapp eine Woche vor ihrem zweiundsiebzigsten Geburtstag beim Abendessen. »Ich habe kein Problem damit, die anderen Gäste wieder auszuladen.« Sprach’s, stand vom Tisch auf, stellte ihren Teller in die Spüle und rauschte nach oben in ihr Refugium.
    Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte die Wohnungstür mit ähnlich viel Nachdruck geschlossen, wie ich es gelegentlich tat.
    Ich hätte mich vor Schreck fast an der piadina verschluckt, in die ich gerade herzhaft gebissen hatte. So resolut kannte ich nonna gar nicht. Sie hatte uns soeben eine wahre Liebeserklärung an Otto unterbreitet und war wild entschlossen, das Hausverbot meines Vaters zu ignorieren. Wenn sie von jemandem oder einer Sache überzeugt war, dann war sie nicht so leicht davon abzubringen. Bei meinem Vater hatte sie Paranoia im Endstadium diagnostiziert, und auch ich hatte mein Fett abbekommen. Sie hatte mich allen Ernstes als konfliktscheu und hysterisch bezeichnet. Dabei mischte meine Großmutter sich sonst nie in die Angelegenheiten anderer ein. Ihr Gefühlsausbruch gab mir zu denken. Was sie über Otto gesagt hatte, nämlich dass er eine durch und durch ehrliche Haut war, offen für alles, integer, hilfsbereit und immer für andere da, stimmte alles.
    Der Rest der Familie saß nach nonnas spektakulärem Abgang genauso verdattert da wie ich und starrte ihr nach. Mit einer solch heftigen Reaktion hatte wohl keiner gerechnet.
    Meine Mutter fing sich als Erste wieder. »Tja, dann sollten wir Otto wohl einladen …« Sie blickte fragend in die Runde.
    »Au jaaaaa!«, rief Paola, und auch Laura nickte begeistert. Die beiden vermissten ihn sehr und waren stinksauer auf unseren Vater. Schließlich hatten sie nun niemanden mehr, den sie nach allen Regeln der Kunst ausnutzen konnten. Aber das allein war es nicht, denn sie mochten ihn wirklich.
    »Auf gar keinen Fall, dieser Kerl kommt mir nicht ins Haus«, polterte babbo fast zeitgleich los und heimste dafür drei bitterböse Seitenblicke ein.
    Mamma , die auch eindeutig für eine Wiedereingliederungsmaßnahme war, nannte ihren Göttergatten daraufhin einen verbohrten Sturkopf, und schon war der schönste Familienstreit im Gange.
    Ich sagte dazu gar nichts. Beim Gedanken an Otto bekam ich sofort Magenschmerzen – einerseits vor Sehnsucht, andererseits vor Wut auf mich selbst. Der Appetit auf die piadina war mir jedenfalls gehörig vergangen. Das Fladenbrot war inzwischen sowieso kalt, und wenn der geschmolzene Käse, mit dem es gefüllt war, hart wurde, klebte er wie Kaugummi an den Zähnen.
    Apropos: Wie ein ausgespuckter Kaugummi fühlte ich mich nun schon seit exakt sechs Tagen, zwanzig Stunden und drei Minuten. So lange war es nämlich her, dass Otto seine Jacke abgeholt hatte. Seit diesem Abend hatte er nichts von sich hören lassen, er war wie vom Erdboden verschluckt. Zweimal war ich abends zu seinem Apartment geschlichen, um nachzusehen, ob Licht brannte, aber jedes Mal war alles dunkel gewesen. Vielleicht ist er sogar nach Deutschland zurück?, hatte ich mich mehr als einmal gefragt. Die Ungewissheit war nicht zum Aushalten, und trotzdem war ich zu feige – oder doch zu stolz? –, um mich bei ihm zu melden. Nachts ums Haus zu schleichen war zwar ungleich würdeloser als hinzugehen und um eine Aussprache zu bitten, aber irgendwie leichter. Nur leider brachte es mich keinen Zentimeter weiter.
    Um nicht so viel über mich und Otto nachdenken zu müssen, hatte ich mich in der letzten Woche wie eine Wilde in die Arbeit gestürzt, war einmal mit Gianmarco im Kino gewesen und hatte meine Freundschaft zu Vale wiederbelebt. Ehrlich gesagt, hatte sie den größeren Anteil daran, denn sie war so aufmerksam wie lange nicht mehr und jederzeit bereit, sich das Gejammer über meine Seelenqualen anzuhören.
    »Könnt ihr nicht mal aufhören zu streiten?«, fuhr ich meine Eltern an, die inzwischen bei nonna als Stein des Anstoßes angekommen waren.
    Babbo war meine resolute Großmutter häufiger ein Dorn im Auge, und manchmal hätte er sie wahrscheinlich am liebsten zur Adoption freigegeben. Doch die Wohnung, in der wir lebten, hatte nun mal meinem Großvater gehört, und nach dessen Tod war nonna so großzügig gewesen, in die kleine Kammer unterm Dach zu ziehen, damit meine Eltern mit ihren drei Töchtern in ihrer beengten Bleibe nicht länger wie die Sardinen in der Dose hausen mussten. Als mein Vater seinerzeit das Angebot bereitwillig

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