Spanier zum Frühstück-Hauptsaison (German Edition)

Spanier gern auf Reisen gingen — und dies durchaus auch
in kältere Gefilde!
     
    Was den Verkauf selbst betraf, so
taten sich außer Señor José die anderen Verkäuferinnen relativ schwer, weil
niemand von ihnen Deutsch konnte. Señora Prat und ihre Tochter kannten
lediglich ein paar Wörter, wie sehr gut oder sehr schön und ja-ja .
Trotzdem gelang es ihnen immer wieder, auch etwas an Ausländer zu verkaufen. Es
kam nur darauf an, freundlich zu sein und an den richtigen Stellen zu lachen.
Und wenn es ums Geldverdienen ging, schafften selbst Mercedes und ihre Mutter
dies!
     
    Natürlich hatte Mercedes auch etwas
dagegen einzuwenden, dass ich in Zukunft im Verkauf tätig werden sollte und
lachte mich aus. Sie war überzeugt, dass mir dazu einfach das Knowhow und das
nötige Feingefühl fehlen würden. Ich ließ sie in ihrem Irrglauben. Mir war
klar, dass sie und ihre Mutter generell keine Ausländer mochten, selbst
Nicht-Katalanen waren in ihren Augen Ausländer und damit für sie der letzte
Dreck! Señor José war jedoch fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass Mercedes
mich nicht auch wieder vergraulen würde. Dennoch nahm er sie auch weiterhin in
Schutz und versuchte ihr Benehmen zu rechtfertigen. Er erzählte mir, dass viele
Katalanen so denken würden wie Señora Prat und Mercedes und sich auch für ein
unabhängiges Katalonien stark machten. Er sagte, unter Franco hätten besonders
die Katalanen und Basken schwer gelitten und gerade die Menschen, die sich noch
sehr gut an die Franco-Ära erinnern konnten, wie Señora Prat, könnten ihren
Hass auf die Spanier, die Nicht-Katalanen , nicht überwinden. Señor José
war ebenfalls Katalane, doch er hegte keine dieser Abneigungen und sprach für
gewöhnlich auch eher Castellano, selbst mit Señora Prat und ihrer Tochter.
Dennoch war er immer bemüht, viel Verständnis für die beiden aufzubringen und
ich fand, dass er bemerkenswert nachsichtig war, gerade mit Mercedes. Ich fragte
mich, was wohl der Grund dafür sein könnte.
     
    Viel später erzählte Señor
José mir und Adelio, dass er nie das Gefühl losgeworden wäre, dass Mercedes
seine Tochter sei. So erfuhr ich auch von der kurzen Affäre, die er vor über
dreißig Jahren mit Señora Prat hatte. Señor José erzählte uns bei dieser
Gelegenheit auch, wie er vor fast vierzig Jahren im Alter von gerade einmal
einundzwanzig, eine kleine Änderungsschneiderei in Barcelona eröffnete. Señora
Prat war damals als Schneiderin bei ihm angestellt. Sie war zwar verheiratet
aber kinderlos. Ein paar Jahre später hatte Señor José angefangen, selbst
Herrenanzüge zu entwerfen und Maßanzüge anzufertigen. Ab da ging es mit seinem
Geschäft bergauf. Auf einer Reise nach Paris, wo er Stoffe einkaufte und auf
der Señora Prat ihn begleitete, war es dann zu der Affäre gekommen und kurz darauf
war sie schwanger. Zwar hatte sie nie gesagt, dass Mercedes seine Tochter sei,
immerhin war Señora Prat verheiratet, aber die Sache hatte Señor José natürlich
nie in Ruhe gelassen. Irgendwann hatte er sie auch darauf angesprochen, doch Señora
Prat hatte sich nicht dazu geäußert und es auch später nie getan. Mir und auch
Adelio war klar, dass Señora Prat das schlechte Gewissen ihres Arbeitsgebers jedoch
immer ausgenutzt hatte. Als Mercedes ungefähr zehn Jahre alt war, war der Mann
von Señora Prat bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekomm en. Doch sie und Señor José
hatten ihre Beziehung nie wieder aufgenommen. Señor José erklärte dazu, dass er
es auch immer vermieden hätte, Signale auszusenden, die Señora Prat falsch
hätte interpretieren können und bezeichnete die Affäre mit ihr als jugendliche Dummheit.
     
    Anfang der siebziger Jahre hatte
Señor José dann „Modas Taurus“ in Lloret eröffnet und Señora Prat und ihre
Tochter, die damals gerade einundzwanzig Jahre alt geworden war, waren
ebenfalls an die Costa Brava umgezogen. Während Señora Prat nun den Verkauf
leitete, hatte Señor José die Idee, Mercedes als Vorführmodel einzustellen.
Kurze Zeit später hatte Señor José dann auch seine Frau, eine Französin,
kennengelernt. Obwohl er selbst damals schon 47 Jahre alt war, hatten die
beiden noch zwei Töchter bekommen und Señor José betonte wieder einmal, dass
seine Frau ja auch fast zwanzig Jahre jünger sei als er selbst! Er benutzte
dies immer gerne als Anspielung auf den Altersunterschied zwischen mir und Adelio,
der ähnlich groß war.
     
    Als Señor José uns seine
Geschichte erzählte,