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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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dir helfen, meine Liebe?« fragt sie.
    »Du könntest den Tisch decken«, schlage ich vor. »Die Sets liegen dort drüben in der Schublade, das Besteck ist in einem Korb daneben.« Aber Joan verschwindet bald im Wohnzimmer, ohne sich um den Tisch zu kümmern. Ich finde sie beim Betrachten eines modernen afrikanischen Gemäldes. »Wenn wir Geld übrig hatten, haben wir es für Kunst ausgegeben«, erzähle ich ihr. »Das war von Anfang an unsere Leidenschaft.«
    |52| »Nach deinen Büchern und den Töpferwaren zu urteilen, scheinst du viele Leidenschaften zu haben, meine Liebe«, sagt sie und hält eine Onyxskulptur eines eng umschlungenen Paares hoch. Sie läßt den Gedanken in der Luft hängen, gibt mir das Gefühl, eine Bemerkung machen zu müssen. Statt dessen schlage ich Eier auf.
    »Der Brunch ist serviert«, verkünde ich eine halbe Stunde später, und sie eilt sofort zum Tisch. »Ich habe einen Riesenhunger«, sagt sie. »Das geht mir nach einem Gottesdienst immer so.«
    »Mir auch«, stimme ich zu.
    »Es sieht wunderbar aus... all dieses gute Gemüse.« Sie preßt Zitrone in ihren Drink und beißt dann vom Cranberrybrot ab. »Ich muß gestehen, daß ich mir selten die Mühe mache, so allein, wie ich lebe – das ist eine der schlechten Angewohnheiten des Singledaseins. Was ist das für interessante Musik?«
    »Das Paul Winter Consort. Kennst du seine Arbeiten?« Sie zuckt die Schultern, als sage ihr der Name nichts, und ist jetzt mehr an ihrem Omelett interessiert.
    »Er hat eine ganze Reihe von Stücken komponiert, die die Erde feiern, und nennt das lebende Musik.«
    »Tja, dieses Stück klingt surreal«, meint Joan, »jenseitig sogar. Ich finde es wunderbar, wenn Musiker sich zu neuen Klängen durchringen.«
    »Es heißt ›Canyon‹. Die Musiker haben ihre Instrumente mit in die Tiefen des Grand Canyon genommen, um das Echo dort einzufangen. Kannst du dir das vorstellen?«
    »Erstaunlich«, sagt sie und macht Stielaugen, als könne sie sich so einen Abstieg vorstellen. »Wer kommt auf solche Ideen... nimmt derartige Mühen auf sich, nur um Musik in einer bestimmten Umgebung zu spielen?« Und dann, nach mehreren Bissen, legt sie ihre Gabel hin und schließt die Augen, was bedeutet, wie ich gelernt habe, daß sie schweigen und nur den Augenblick genießen möchte.
    |53| Ich mache dasselbe, obwohl ich es schwer finde, mich allzuweit aus meiner Küche zu entfernen. Trotzdem sitzen wir gute fünf Minuten schweigend da, bis ich es wage, ein Auge zu öffnen und merke, daß sie fast eingeschlafen ist, während die Musik auf sie einströmt. Ihr Gesicht wirkt durchscheinend, ihre Atmung ist flach, ihr Körper schlaff. Geht es ihr gut? Hat sie einen Anfall gehabt? War der Drink zu stark? Als die Musik anschwillt und dann leise wird, taucht Joan aus ihrer Trance auf, und ich sehe, daß ihr Tränen in den Augen stehen. »Wow! Ich bin mit den Raben dahingeglitten, hoch über der Mesa, hinab in die Felsspalten. Das bringt die Erinnerung an einen meiner sensationellsten Ausflüge zurück.«
    »Ach ja?«
    »Wir waren im Zion Nationalpark, wo Schilder in allen Richtungen auf Pfade verwiesen. Mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter hatten kein Interesse am Klettern, aber ich schon. Ich sauste los wie eine Bergziege und gelangte auf den Gipfel einer Felsenwelt in Rot und Gelb, wo Adler kreisten, Sträucher starke Gerüche verströmten und die Luft berauschend war. Ich war trunken vor Erschöpfung und Befriedigung. Genauso fühle ich mich jetzt – als sei ich in den Canyon hinabgestiegen und wieder hinausgeklettert.« Sie nimmt noch einen Schluck von ihrem Drink und erhebt sich. »Die Musik gibt mir das Gefühl, aufspringen und rauslaufen zu wollen«, sagt sie. »Wie wär’s, wenn du mir deinen See zeigst?«
    »Gute Idee«, stimme ich zu, schüttele meinen Kopf über ihren unermüdlichen Enthusiasmus und ihre Abenteuerlust. Rasch stellen wir das Geschirr in die Spüle, greifen nach unseren Sonnenbrillen und schlagen den Pfad ein, der zum See führt. Joan geht mit federnden Schritten voraus über Kiefernnadeln und Moos, als wir uns den Weg durch den Tunnel des Springkrauts bahnen.
    »Ein Sommertag ist immer eine Einladung hinauszuwandern, findest du nicht, meine Liebe?« Ich nicke, und sie hüpft |54| davon, erinnert mich an meine Kinder, als sie klein waren. Die Jungs nannten diesen Ort den Zauberwald und streiften darin umher, genau wie Joan, suchten nach Marienkäfern, sammelten Schirmpilze, fanden Stöcke, die sich

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