Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau
Tag zur freien Verfügung, und ich wußte, daß ich meinem Mann gegenüber bis zum Abend keine Verpflichtungen hatte.
Ich mache mir Sorgen, daß er, während ich eine neue Richtung einschlagen möchte, einfach nur am Kamin sitzen will. Und was wird er von meiner Beziehung zu Joan halten? Obwohl wir über sie gesprochen haben, bin ich mir nicht sicher, ob ihm klar ist, wie sehr wir Teil unseres jeweiligen Lebens sind.
Wenngleich Joan die Wichtigkeit betont, an einem Gefühl des Selbst festzuhalten, hat sie mich doch auch davor gewarnt, das Selbst und die Beziehung als zu starke Gegensätze zu behandeln. »Es täte dir gut, ein wenig weicher zu werden, meine Liebe«, riet sie mir. Ich bin mir nicht vollkommen sicher, was sie meint, aber ich hoffe jedenfalls, daß die Frau, die ich geworden bin, immer noch Platz für den Mann in ihrem Leben hat.
In dieser Verfassung fahre ich am Tag von Robins Ankunft |76| zu The Squire, einem Restaurant hier im Ort, in das ich eine Anzahl von Leuten zur Feier von Robins Zukunft eingeladen habe. Ich habe das Ereignis als »Lebensveränderungsparty« angekündigt und hoffe, daß dieses Thema der Sache ein wenig Humor verleiht. Obwohl Robin grundsätzlich gegen größere Menschenansammlungen ist, hatte ich das Gefühl, eine Party würde die Unbehaglichkeit abschwächen, die wir nach einer so langen Trennung sicherlich empfinden würden. Außerdem möchte ich, daß er einige der Menschen trifft, die ich kennengelernt habe und bewundere – Fischer, Künstler und Handwerker, die Leute eben, aus denen die Bevölkerung von Cape Cod außerhalb der Saison besteht. Und natürlich habe ich auch Joan Erikson eingeladen.
Als ich das Auto parke und zum Restaurant gehe, erinnere ich mich an all die Jahre, in denen ich das Essen fertig hatte, wenn er aus dem Büro nach Hause kam, oder an die Freitagnachmittage im Sommer, wenn ich um zwei den Strand verließ, um seinen Wochenendbesuch vorzubereiten. Ich habe meinen Urlaub von der Ehe genossen, und als ich mich dem Restaurant nähere, verstärkt sich meine Unruhe. Aber sobald ich durch die Tür dieses dunklen und gemütlichen Pubs trete, entdecke ich mehrere Freunde, die darauf warten, daß etwas geschieht, und kann meine Unsicherheit beiseite schieben.
»Ist er wirklich auf seiner letzten Fahrt von New York hierher?« fragt einer meiner Freunde.
»Ja, das ist seine letzte Fahrt als Pendler. Heute endet sein Berufsleben im Erziehungswesen, soweit ich weiß. Laßt uns ein Glas Wein trinken.«
Als wir zur Bar gehen, kommen weitere Freunde herein, und bald ist eine lebhafte Unterhaltung im Gange. Aber warum auch nicht? Kaum jemand auf Cape Cod geht je unter der Woche aus, und es ist der Stimmung nicht abträglich, daß ich die Getränke bezahle. Außerdem befinden wir uns in der entsprechenden Umgebung, bis hin zu einem geschnitzten Seemann |77| mit seiner Frau, sie lächelt entzückt, er kneift sie in die Brustwarze. Die dreißig Luftballons, die eine Freundin geschickt hat, haben sich über die gesamte Decke verteilt, und der Barkeeper hat ziemlich lebhafte Musik aufgelegt.
Gerade als sich die Gäste fragen, ob es überhaupt einen Ehemann gibt, erscheint der Mann der Stunde, ein bißchen müde von der Reise, aber trotzdem aufgekratzt. Ich umarme ihn in dem Bewußtsein, daß alle Augen auf uns gerichtet sind und unsere Reaktion aufeinander beobachten. Er drückt mich an sich. »Hi, Baby... es ist gut, wieder zu Hause zu sein«, flüstert er. »Hat lange genug gedauert.«
Seine Empfindung erwärmt und bestürzt mich gleichermaßen. Ich kann mich mit dieser Aussicht auf einen gemeinsamen Pfad noch nicht so recht anfreunden. Außerdem habe ich mich daran gewöhnt, daß das hier meins ist, und er deutet an, daß es ihm ebenso gehört. Ich löse mich von ihm, verlegen über diese Intimität in aller Öffentlichkeit, führe ihn zum nächsten Gast und beginne mit dem Vorstellen.
In Minutenschnelle ist er von Gratulanten umringt, und ich trete zur Seite und beobachte, daß er die Situation meistert, indem er sich wie ein Politiker bei einer Benefizveranstaltung verhält, ein merkbarer Unterschied zu dem Mann, den ich kannte und der große Schwierigkeiten hatte, seine Abscheu vor den meisten gesellschaftlichen Zusammenkünften zu verbergen. Bald ist er auf dem Weg zur Bar und läßt sich neben Joan Erikson nieder, die genüßlich an einem Glas Portwein nippt.
»Sie müssen Joan sein«, höre ich ihn sagen. »Ich habe schon viel von Ihnen
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