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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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das für das Spielalter steht. »Ich kann es gar nicht genug betonen. Wir wachsen an diesen emotionalen Konflikten. Unser Schicksal kann sich zum Besseren wenden, wenn wir nur den Mut haben, uns auf das Gegensätzliche einzulassen. Das ist das Paradox. Jeder möchte unter dem Regenbogen wandeln, aber es sind die negativen Zugkräfte, die uns zwingen, ein bißchen weiter zu gehen, ein bißchen mehr zu tun, uns mehr anzustrengen. Aus diesem Grund entwickelt das Kleinkind Charakter, während es Konflikte sucht und die Grenzen austestet.«
    »Also ist all meine Ungezogenheit schließlich doch nicht umsonst gewesen!« spaße ich. »Es fiel mir unendlich schwer, mich an die Regeln zu halten.«
    »Mir auch!« ruft sie fröhlich. »Du bist bestimmt so oft ausgeschimpft |72| worden wie ich, als du klein warst. Das geschieht den meisten Kinder, wenn sie ungehorsam sind und etwas Verbotenes anstellen. Aber es trotzdem zu tun, hat dich vermutlich sehr willensstark gemacht. Das mag ich so an dir – daß du es wagst, anders zu sein und Initiative zu zeigen. Ich glaube, du hast aus deiner Kindheit viel Stärke mitgenommen, trotz der guten Vorsätze deiner Eltern. Und ich schätze, du hast darauf bestanden, dein Spielstadium ein bißchen länger auszudehnen als normal.«
    »Ach ja? Wie kommst du darauf?«
    »Durch dein Mitgefühl. Du mußt als Kind viel geschauspielert haben, ein Einfühlungsvermögen in das Schicksal anderer entwickelt haben. Das passiert, wenn man ›so tut als ob‹. Man wird gezwungen, sich das Los der anderen Person im Leben anzuschauen, so daß du heute empfindsam auf unbeachtete Menschen reagierst.«
    Ich bin sprachlos. Vor allem, da ich mich als selbstsüchtig betrachte, zumindest in diesem Jahr, wo ich von allem und jedem weggerannt bin.
    Während wir unsere Stiche machten, verlagerten sich die Themen unserer Unterhaltung, so wie Tänzer die Bewegung ihrer Körper nach der Musik richten. Unsere Finger schoben sich durch die Reihen von orangefarbenem, grünem, gelbem und dunkelblauem Garn, und ich begann, die Lehren aus meinem Leben zu ziehen, gewann mit jedem Stich Stärke und Selbsterkenntnis. Meine Kindheit tauchte auf meinem Webrahmen wieder auf, mit all der sie begleitenden Verrücktheit und Dramatik. Am meisten faszinierte mich, daß ich erkennen konnte, wie ich meinen innersten Kern geformt hatte. Ich war der Ursprung meiner eigenen Werte. Als ich die Geschichten und Stadien meines Lebens miteinander verband, merkte ich allmählich, daß ich tatsächlich ein Selbst hatte – eines, das man mir nicht mehr nehmen konnte.
    »Ich glaube, ich hab’s kapiert«, teile ich meiner Lehrerin |73| nach der vierten Sitzung mit. Und um ja nicht wieder zurückzufallen, habe ich mir angewöhnt, ein paar miteinander verflochtene Fäden in meiner Tasche herumzutragen, berühre immer wieder die verschiedenfarbigen Fäden, um mich an all die Hoffnung, den Willen, die Entschlossenheit und Kompetenz zu erinnern, die mir niemand nehmen kann. Mehr noch, da es uns gelungen ist, durch die Jugendzeit und darüber hinaus zu gelangen und ich vor Selbsterkenntnis platze, nehme ich an, daß ich mehr als bereit bin, wieder eine Ehe zu beginnen – zumindest bin ich besser vorbereitet als beim letzten Mal.
    In ihrem Wahnsinn steckt Methode, denke ich erneut. Zumindest hat sie mich dazu gebracht, mich hinzusetzen und meiner Vergangenheit und Gegenwart Aufmerksamkeit zu schenken. Und ich war dazu gezwungen, etwas mit den Händen zu schaffen. Verwoben mit diesen beiden Aktivitäten war die Chance, Joans Schrullen wie auch ihrer Weisheit zu lauschen. Ich blicke auf meine Stärken, wie sie dieser kleine Webrahmen symbolisiert. Es ist Zeit, nicht nur mich selbst zu umarmen, sondern mich wieder den Menschen anzuschließen.

|75| Tanz hinter der Brandung
    Der Sommer ist viel zu schnell vergangen, und Robin wird kurz nach Labor Day hier ankommen. Da sein Arbeitsleben hinter ihm liegt, sagt er, sei er begierig darauf, das Unbekannte zu erforschen – ein Leben ohne Einschränkungen. Als ich vor kurzem bei einem Telefongespräch zu seinen Plänen schwieg, merkte ich, wie er sich in sich zurückzog.
    Ich könnte mich über seinen neuen Eifer freuen, wenn ich nicht wüßte, daß der Mann, mit dem ich so lange verheiratet bin, dazu neigt, ein Stubenhocker zu sein und in seiner Freizeit eher faul ist. Außerdem macht mich das Wort
Ruhestand
äußerst unruhig. Die Arbeitswelt hatte eine Form, an die er sich halten mußte. Mir wiederum stand der

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