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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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entwickeln. Du scheinst über jede Menge Hoffnung zu verfügen, meine Liebe. Du mußt als Säugling sehr geliebt worden sein«, sagt sie und betrachtet mich nachdenklich, wartet auf meinen Kommentar.
    »Na ja, ich war ein Wunschkind, das weiß ich mit Sicherheit«, antworte ich, »vor allem, da ich ein Mädchen war und meine Eltern bereits einen Jungen hatten. Meine Ankunft machte uns zu einer perfekten vierköpfigen Familie. Sie haben mich sogar zweimal taufen lassen – einmal in New York, wo meine Großeltern lebten, und dann noch mal in Buffalo, wo ich geboren bin.«
    »Was für ein Glück für dich, Liebes. Bei mir verlief es nicht so günstig, als drittes Kind einer Mutter, die sich in der kanadischen Wildnis unglücklich fühlte, weit weg von der New Yorker Gesellschaft, die sie so bewunderte. Kurz nach meiner Geburt hatte sie einen Nervenzusammenbruch, und meine Großmutter mußte für uns sorgen. Wie sich herausstellte, war es das Beste, was mir je hätte passieren können. Meine Nama liebte mich – sie bewunderte wirklich alles, was ich tat, selbst die Schwierigkeiten, in die ich geriet. Sie billigte all meine Handlungen und Ideen. Es braucht nur einen, weißt du, einen Menschen, der dich anerkennt, und du bist auf dem richtigen Weg. Aber wir greifen voraus. Namas Einfluß auf mich machte sich in meiner frühen Kindheit und im Spielalter bemerkbar.«
    Allmählich erkenne ich den Zusammenhang zwischen dem |70| Weben und meinem Leben, also nehme ich mir noch etwas Garn, um mit ein paar Reihen mehr die Fülle meines Anfangs darzustellen, bevor ich zum zweiten Stadium übergehe. Joan vergißt bereits ihren Vorsatz, nur ein Stadium pro Tag zu weben, und reicht mir ein Knäuel orangefarbenes Garn zum Abmessen und Schneiden.
    »Orange ist für die Kleinkindzeit... wenn man beginnt, Autonomie zu entwickeln. Die in dieser Zeit erworbene Stärke ist der starke Wille«, erklärt sie. »Kleinkinder verlangen viel Lob und Zustimmung, während sie zu essen, laufen und ihre Umgebung zu erforschen beginnen.«
    Meine Gedanken wandern sofort zu Mamie, einer wunderbaren Frau, die in unserem Doppelhaus wohnte, als ich zwei oder drei Jahre alt war, und die mich bedingungslos liebte. »Da gab es eine kinderlose Frau, die mich total verwöhnte«, sage ich. »Während meine Mutter ganz versessen darauf war, alles nach festen Regeln auszurichten, bestand Mamie darauf, daß wir magische Dinge zusammen machten. Ihr Haus hatte geheime Kammern und Küchenschränke voller Süßigkeiten, und sie wollte immer spielen. Eines Tages rutschten wir auf dem Küchenboden herum, nur weil wir Popcorn aus dem Topf und auf den Boden springen lassen wollten und darauf warteten, es mit den Händen aufzuklauben und zu essen.«
    »Gut gemacht. Hast du viel Zeit mir ihr verbringen können?« fragt Joan.
    »Nicht genug. Wir zogen weg, als ich etwa sieben war. Es war herzzerreißend. Ich glaube nicht, daß ich jemals darüber hinweggekommen bin. Von da an wurde ich ein Dickerchen und irgendwie traurig – zumindest sagen mir das die Schnappschüsse aus meiner Kinderzeit. Das Leben wurde einsam. Etwas sehr Wichtiges war fort. Von ihr hatte ich die meiste Anerkennung bekommen, und so gab es plötzlich weniger Applaus für meine Leistungen.«
    »Mir passierte das, als ich aufs Internat geschickt wurde«, |71| gibt Joan zu, »weg von Nama und allem Vertrauten. Noch schlimmer war, daß ich die Jüngste dort war und nie richtig dazugehörte. Aber dann fand ich eine Lehrerin, die wie ein helles Licht war. Sie hieß Miss Luke und war eine wunderbare Geschichtenerzählerin. Ihre Hingabe an die Klassiker und die große Literatur nahm mich gefangen. Wie auch immer, ich war bereit für das, was sie zu bieten hatte, und ich saugte jeden ihrer Gedanken in mich auf. Meine Reaktion auf sie war gewissermaßen eine Herausforderung für uns beide«, sagt sie; ihre Stimme verliert sich, als wäre sie in Gedanken weit weg. »Menschen können wirklich eine Kraftquelle füreinander sein, findest du nicht auch?«
    Ich nicke.
    »Es war nicht unbedingt Miss Luke, die mich inspirierte«, fährt sie fort, »entscheidend war, was ich in ihr sah, und die Art, in der ich auf sie reagierte.« Sie lehnt sich zurück und schließt kurz die Augen, als wolle sie die Erinnerung an jene Zeit für immer festhalten. Ein paar Minuten später wird sie wieder lebhaft. »Vergiß nie, daß man Stärke aus Widrigkeiten gewinnt«, beharrt sie, während sie Stränge von dem grünen Garn abschneidet,

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