Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
Vom Netzwerk:
Schlucken Portwein, »vor allem beim modernen Tanz, der einen nicht einschränkt. Dabei geht es eher darum, Grenzen zu überschreiten. Doch jetzt«, sie klingt plötzlich traurig, »stellt mich dieser verdammte Körper auf eine harte Probe. Er tut nicht immer das, was ich von ihm will.«
    »Dann lassen Sie uns doch mal sehen, wie gut er sich auf der Tanzfläche bewegen kann«, sagt Robin spontan, springt rasch auf und hilft ihr aus der Nische, bevor sie ablehnen kann. Ich sehe ihnen nach, wie er sie zur Tanzfläche führt, dieser großgewachsene Mann mittleren Alters, der mit einer über Neunzigjährigen zu einem Elton John Hit tanzen will.
»It’s a little bit funny, this feeling inside, I’m not one of those who can easily hide...«
    Ich lausche dem Text, beobachte meinen Mann und schüttele den Kopf. Nach all diesen introvertierten Jahren, in denen ich ihn knuffen und anstacheln mußte, um auf einer Party so galant zu sein, mit der Gastgeberin zu tanzen oder die Mauerblümchen aufzufordern, legt er hier ohne weiteres mit einer alten Frau los. Einige der anderen Gäste haben aufgehört zu essen und schauen zu, aber Joan bemerkt es nicht. Sie ist völlig selbstvergessen, die Augen auf Robin gerichtet, der sie herumwirbelt, einmal und dann noch mal. Sie ist nicht im geringsten verlegen bei dieser Zurschaustellung, wie ich es sein würde, die ich meinen privaten Wahnsinn immer verberge.
    Einen Augenblick lang drückt er sie an sich, als hätte er |81| Angst, sie könnte schlappmachen. Aber ihr Körper macht mit, und sie tanzt weiter, jetzt allein, hebt die Arme über den Kopf, schwingt ihre Hüften im Rhythmus und grinst von einem Ohr zum anderen.
    Als der Song endet, klatschen mehrere Gäste Beifall. Robin ist derjenige, der aufhören will, und er führt sie zurück zu unserer Nische und sinkt auf seinen Platz, das Gesicht gerötet und die Stirn schweißnaß.
    »Ha, was für ein Augenblick!« ruft Joan und läßt sich glücklich neben mir niederplumpsen. »In einen Tanz fließt so viel gute Energie ein! Konntest du das nicht spüren?«
    »Sah aus, als hättet ihr beiden direkt aus der Tür hinaustanzen können«, sage ich, entzückt über ihr Entzücken.
    »Und die Straße hinunter und an den Strand. Warum nicht?« lacht sie. »Ein Tanz hinter der Brandung, das ist es... bereit zu sein, so weit zu gehen, wie man es wagt. Zum Teufel, es ist eine der wenigen erlaubten Möglichkeiten, sexy und sinnlich zu sein«, fügt sie hinzu, ein freches Zwinkern im Auge. »Die Bewegung bei der ganzen Sache... und die Geschmeidigkeit, die daraus erwächst! Die Glücklicheren sind diejenigen, die in der Nähe des Wassers aufwachsen, wo alles in Bewegung ist – man sehnt sich danach für den Rest seines Lebens.« Sie greift nach ihrem Wasserglas und nimmt einen großen Schluck.
    »Ich bin an einem Fluß aufgewachsen«, berichtet Robin. »Am Shrewsbury. Als kleiner Junge bin ich dort angeln gegangen und hab zugeschaut, wie das Wasser vorbeifloß. Glauben Sie wirklich, daß sich jemand deswegen gerne bewegt?«
    »Ganz bestimmt. Es ist die Kraft, die einem ins Blut übergeht und dort bleibt.«
    »Du hättest ihn in Afrika sehen sollen!« werfe ich ein. »Er ging zu Stammesversammlungen, bewegte sich zum Rhythmus der Trommeln und der anderen Instrumente und war bald nicht mehr zu halten.«
    |82| »Das überrascht mich nicht«, antwortet Joan, lächelt, während sie sich vorstellt, wie er herumhüpft. »Tanz ist seit Jahren mein Heilmittel. Die Eingeborenen kennen die Macht des Tanzes. So rufen sie ihre Geister. Ich gehe immer davon aus, daß jeder auf der Welt weiß, was gute Medizin ist.«
    Und dann hebt sie ihr Glas, zitiert ohne zu stocken eine Zeile aus einem Gedicht, das sie auswendig gelernt hat: »›Tanze, wenn du zerbrochen bist‹«, sagt sie dramatisch, »›tanze, wenn du die Verbände abgerissen hast, tanze mitten während eines Kampfes, tanze in deinem Blut, tanze, wenn du vollkommen frei bist‹. Zumindest ist es das, was ich dabei empfinde«, schließt sie und nimmt einen letzten Schluck von ihrem Port.
    Ich schaue zu Robin, der verblüfft aussieht. Sicherlich haben wir denselben Gedanken. Wie kann jemand in ihrem Alter so lebendig sein?
    »Ich möchte gern auch so locker sein können wie ihr beiden«, sage ich, »aber ich konnte bei Robins wilden Bewegungen nie mithalten. Meistens sitze ich dann beim nächsten Tanz daneben und hoffe, daß er eine bessere Partnerin findet.«
    »Es sollte nie vorgeschrieben sein, wie man

Weitere Kostenlose Bücher