Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau
Weltbewegendes passiert ist. Dieselben Nachrichtenthemen wie bei meiner Abreise machen bei meiner Rückkehr immer noch Schlagzeilen. Muß ich mir den Kopf mit all diesem Zeug vollstopfen? Rasch stecke ich die Zeitung dorthin zurück, wo ich sie gefunden habe, setze sofort nach dem Abräumen des Tabletts die Schlafbrille auf, in der Hoffnung, die Geschäftigkeit um mich herum auszuschließen. Ich wünsche mir, ich könnte Flötenmusik aus den Anden hören und den Geist Südamerikas lebendig halten. Mir geht auf, daß es in jedem Leben ein paar bestimmende Momente gibt, die den Kurs, dem wir folgen, zu ändern scheinen. Ich vermute, daß ich gerade einen dieser Momente erlebt habe. Langsam setzt die Erschöpfung ein, und ich falle in einen tiefen Schlaf.
Als ich erwache, gehen wir bereits im Landeanflug durch die Wolken runter. Ich richte mich auf, fahre mir mit der Bürste durch mein zerzaustes Haar und sammle meine Sachen zusammen – einen knorrigen Wanderstab, mein Tagebuch, mehrere Stücke einheimischer Kunst, die in meiner Reisetasche zerdrückt worden wären. Unter dem rasch sinkenden Flugzeug erkenne ich die markante Küstenlinie und den unverkennbaren Arm von Cape Cod, herausgeschnitten aus der brodelnden, blaugrünen Brandung, und lächele. Dieser Ort hat mich aufgenommen, |146| als ich so verzweifelt war, und steht jetzt bereit, meinen Triumph zu begrüßen.
Als wir landen und das Flugzeug quietschend zum Halten kommt, springen die meisten Passagiere auf und holen ihre Sachen aus den Gepäckfächern. Aber ich bleibe sitzen, bin ein wenig traurig über die Abruptheit der Landung und zögere, mich der Hektik um mich herum anzuschließen. Schließlich steige ich aus und begebe mich zum Gepäckband. Immer noch stehe ich getrennt von den anderen, als könnte ihre aufgeladene Energie auf mich überspringen. Ich entdecke meinen dreckigen Rucksack und die abgetragene Reisetasche, finde dann den Chauffeur, der mich durch die Menge und zur Drehtür lotst.
Die Fahrt nach Cape Cod vergeht viel schneller als gewöhnlich, finde ich. Allmählich spüre ich, wie mein Adrenalinspiegel steigt, ähnlich wie der eines Marathonläufers, der nach der Ziellinie, einer Massage und Dusche noch mal das Rennen Revue passieren lassen muß. Als wir uns der Stadt nähern, bitte ich darum, bei Joans Haus abgesetzt zu werden. Sie reagiert nicht auf mein Klingeln und mein ziemlich festes Klopfen. Ist sie da? Wichtiger noch, geht es ihr gut?
In dem Moment erscheint ihre Haushälterin. »Sie sind zurück«, sagt sie mit einem breiten Lächeln und nimmt mir so die Furcht um Joan.
»Ist sie zu Hause?« frage ich.
»Nein, sie ist spazierengegangen – das macht sie inzwischen öfter. Sie hat ein paar Ohnmachtsanfälle gehabt und führt das darauf zurück, daß sie sich zu wenig bewegt hat. Sie finden sie vermutlich ein Stück die Straße hoch.«
Ich lasse meine Sachen auf der Veranda stehen und laufe los, entdecke ihre schlanke Figur etwa drei Blocks entfernt. Seltsamerweise sitzt sie auf einer Bank, die ich hier noch nie gesehen habe. Ich winke und rufe ihren Namen; sie steht auf und streckt ihre Arme in der üblichen Begrüßungsgeste aus.
|147| »Du bist es. Nun haben wir uns wieder«, sagt sie und umarmt mich fest. »Ohne dich war es hier fruchtbar ruhig.« Ich betrachte ihr Gesicht, das bleich ist – die glänzenden Augen sind stumpf, und einen Moment lang habe ich das Gefühl, sie durch mein Weggehen vernachlässigt zu haben.
»Wie geht es dir? Ich hörte, du hattest ein paar Ohnmachtsanfälle.«
»Tja, mein Körper macht mir etwas Schwierigkeiten. Ich bin ein paarmal umgekippt. Stell dir vor, einfach hinzufallen, der Länge nach ins Gras, direkt da drüben«, sagt sie und deutet mit ihrem Spazierstock, »und dann für Gott weiß wie lange dort zu liegen, während die Autos vorbeifahren und keiner daran denkt anzuhalten. Darum habe ich diese Bank bauen lassen. Ist die nicht nett?« Sie ist zufrieden mit sich, streicht mit der Hand über die frisch lackierte Fläche. »Ich hab sie bauen lassen, damit andere, so wie ich, eine Stelle haben, wo sie hinfallen können!«
»Oh, Joanie, du erstaunst mich.«
»Nein, du erstaunst mich, Liebes. Bist du gerade hergeweht worden? Du wirkst leicht wie eine Feder.«
»Um die Wahrheit zu sagen, ich war noch nicht mal zu Hause – ich hab den Chauffeur gebeten, mich direkt zu dir zu fahren, damit wir reden können, bevor meine Eindrücke verwässert werden.«
»Ich bin so froh, daß du das
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