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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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daß ein völlig Fremder es in der Minute begreift, in der du über die Schwelle trittst. Deine Arbeit, deine Intentionen, deine Ziele werden alle offensichtlich, wenn das ganze Paket stimmig ist. Verstehst du?«
    Nicht so ganz, aber ich nickte trotzdem zustimmend.
    »Du möchtest, daß deine Individualität sichtbar wird«, sagte sie, während ich sie so genau beobachte wie nie zuvor. Ihr Stil paßt zu der eleganten Schlichtheit ihres Heims – gepflegt, sachlich und doch warm durch all die Erdtöne der Möbel und Wandfarben. An diesem Tag trug sie eine schwarze Hose und |166| einen schwarzen Pullover, darüber eine gesteppte lange Weste in Mauve und Grau. Dazu eine Kette aus klobigen Perlen, geschliffen aus den Steinen, die sie an der Küste von Oregon gesammelt hatte. Mein alter blauer Wollrock und das ausgeblichene Oberteil kamen mir plötzlich schlampig und sehr einfallslos vor.
    »Ich hab mir diesen Stil in Harvard angewöhnt«, fuhr sie fort, »direkt nach meinem ersten Treffen mit den Ehefrauen der Fakultätsmitglieder. Ich kam in einen Raum voller Frauen in Tweedkostümen und mit aufgebauschten Frisuren, und ich war schockiert. Wo blieb da die Individualität? Wurde von mir erwartet, mich ebenso zu kleiden? Kommt nicht in Frage, sagte ich mir, und ging nach dem Treffen direkt zu einem Laden, der exotische und farbenfrohe Kleidung aus Indien verkaufte, erstand eine Reihe von Trikothosen, um sie unter ungewöhnlichen Jacken und Kitteln zu tragen.«
    »Aber du wußtest, was dir gefällt, was bequem ist.«
    »Komm mit. Wir schauen mal meine Sachen durch«, sagte sie und führte mich die Treppe hinauf zu ihrem Zedernholzschrank. Dort hing, ordentlich aufgereiht und farblich aufeinander abgestimmt, eine ganze Sammlung von Jerseyröcken, Hosen und hübschen Jacken, die meist so aussahen, als seien sie handgenäht. »Du mußt etwas auswählen, das auf den Qualitäten basiert, die du als Autorin und Vortragende betonen möchtest. Hier, probier die mal an«, schlug sie vor und zog eine Patchworkjacke in Braun, Beige und Rost heraus, die zu meinem blonden Haar phantastisch aussehen würde.
    »Ich habe ein Jerseykleid, das genau dazu passen würde«, sagte ich, drehte mich zum Spiegel um und war erfreut von dem, was ich da sah.
    »Hier ist noch eine andere, farbenfrohere Weste. Die hat eine Künstlerfreundin von mir entworfen.«
    »Beide sind toll.«
    »Nimm’s mit nach Hause und denk darüber nach. Solche |167| Entscheidungen sollten nicht hastig getroffen werden. Es ist wichtig für dich, daß du das Gefühl hast, deinen eigenen Kleidungsstil gefunden zu haben, und nicht nur das nimmst, was jemand anderer passend für dich findet.«
     
    Gestern haben wir uns noch mal probehalber schick gemacht, und jetzt habe ich ein vages Gefühl von Schicksal, während wir über die Route 95 nach Süden fahren, auf New York und die Büros von W.   W.   Norton zu. Wir hatten beschlossen, um fünf Uhr morgens zu starten, um genug Zeit zu haben, zu unserem mittäglichen Treffen in der Stadt zu sein. Alles ist an seinem Platz. Unsere Jacketts, die auf ihren Bügeln hinten hin und her schaukeln, Joans sauber getipptes Manuskript in einem Karton auf dem Rücksitz, unsere Nachtsachen und Kleidung zum Wechseln in einer Reisetasche, falls wir übernachten müssen, und eine Kühlbox mit Proviant. »Wir haben den Stoßverkehr in Providence und New Haven umfahren«, berichte ich Joan, die gerade nach einem Nickerchen aufgewacht ist. »Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, sollten wir in der Stadt noch genug Zeit haben, uns frisch zu machen.«
    »Ein ganz schöner Schock, all diese hohen Gebäude zu sehen, findest du nicht?« fragt Joan, als wir durch Stamford kommen und uns der Stadt nähern. »Ganz was anderes als unser kleiner Ort, nicht wahr?«
    »Du kriegst doch wohl keine kalten Füße?« frage ich.
    »Zum Teufel, nein. Ich kann es kaum erwarten. Falls überhaupt, bringt mich Unsicherheit zum Knistern. Wenn man seine Hausaufgaben gemacht hat, und das habe ich mit Sicherheit, dann ist das alles ein großer Spaß. Außerdem, wenn mir etwas wichtig ist, kann ich mutig sein und meinen Standpunkt behaupten.«
    Mir fällt etwas ein, das Henry Miller geschrieben hat: »Die Heldin genießt ihr Leben, indem sie es nach ihren Bedürfnissen umgestaltet. Sie sagt vielleicht, sie täte es für andere, für die |168| Menschheit, aber wir wissen, daß sie lügt... die Heldin weiß, daß genau hier die Dinge geschehen, nicht irgendwo anders... daß

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