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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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Sie Eriks Arbeit fortsetzen. Und so, wie es aussieht, haben Sie genau das getan.«
    »Nun ja, ich hoffe doch. Ich betrachte mich als eine der Bevorzugten. Schließlich habe ich ein Forum – eine Chance, zu sprechen und gehört zu werden. Manche meiner Freunde haben dieses Glück nicht.« Joan ist es bereits gelungen, ihn dazu zu bringen, über ihren gebrechlichen und alternden Körper hinweg auf ihren Geist zu schauen, der jetzt schärfer wirkt als je zuvor.
    |173| »Ich mag es, wenn ich zum Wesentlichen einer Sache komme«, sagt sie und fährt fort, ihre neu gewonnene Ansicht darzulegen. »Aber als ich über das neunte Stadium schrieb, stieß ich auf ein echtes Hindernis. Egal, wie man es betrachtet, das Alter ist mehr negativ als positiv. Die negativen Zugkräfte sind größer, und daher muß der alternde Mensch sich so viel mehr anstrengen, um Stärke zu gewinnen. Eine Zeitlang war ich beim Schreiben ratlos, weil ich mir wohl selbst nicht eingestehen wollte, wie schwierig dieses letzte Stadium ist – viel schwieriger als jedes andere.«
    »Ich bin begierig darauf, Ihre Schlußfolgerungen zu lesen«, sagt Mr Lamm, blättert weiter vor, um einen kurzen Blick auf das werfen zu können, was da kommt. Nach dem Interesse in seinem Blick zu schließen, scheint es, als hätte Joan etwas geliefert, was der Verleger haben will. »Also«, sagt er, zufrieden, ein veröffentlichungsfähiges Manuskript in Händen zu halten, »wie wär’s mit Mittagessen? Ich habe einen Tisch im Yale Club reserviert.«
    »Gerne«, stimmt Joan zu.
    Ich bin total entsetzt, daß er, statt ein Taxi zu rufen, Joans Arm nimmt und wir mehrere Blocks zum Restaurant zu Fuß gehen, während wir Smalltalk machen. Doch für Joan ist das kein Problem, unter den Eindrücken der Stadt scheint sie aufzublühen. Gestützt auf ihren Stock, paßt sie sich dem Schritt des Verlegers an, und wir sitzen gleich darauf an einem Fenstertisch im Club. Wenn ein Geschäft unter Dach und Fach ist, sind alle in Feststimmung, und sie unterhalten sich über kürzliche Ereignisse oder Erinnerungen an andere, vor langer Zeit abgeschlossene Verträge.
    »Wie ist es Ihnen seit Eriks Tod ergangen?« fragt er.
    »Na ja, man kann nicht ewig nur dumpf vor sich hinbrüten, nicht wahr? Erik und ich hatten so oft über das Leben weit jenseits dessen gesprochen, worüber wir geschrieben hatten«, sagt sie und beißt von ihrem Puten-Clubsandwich ab. »Außerdem |174| war mir durchaus bewußt, was er hätte schreiben wollen. Ich nehme an, daß es eine Möglichkeit war, mit ihm in Verbindung zu bleiben, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Aber wie sind Sie mit der technischen Seite fertig geworden?« fragt er.
    »Tja, ich habe eine Menge Unterstützung auf Cape Cod«, fährt sie fort, nickt in meine Richtung. »Mein Freundin hier hatte mich seit Monaten angestachelt, und dann ist meine alte Sekretärin bei mir eingezogen, um den Vorgang effektiver zu gestalten. Ich bin noch nicht fertig«, verkündet sie, womit sie sogar mich überrascht. »Es gibt ein Tagebuch von Erik, das ich übersetzen muß, und danach würde ich gern einiges von meiner Lyrik veröffentlichen.«
    Der Wein fließt weiter, genau wie die Erinnerungen an vergangene Projekte und Unterhaltungen über gemeinsame Freunde, bis die Mittagszeit längst vorüber ist. »Wenn wir nicht in den Stoßverkehr geraten wollen«, werfe ich ein, »sollten wir uns lieber auf den Weg machen.«
    Wir winken ein Taxi herbei, sinken auf den Rücksitz, und unser Adrenalinspiegel sackt langsam wieder ab. »Ich muß immer neue Fähigkeiten ausprobieren«, sagt sie, lehnt den Kopf an die Kopfstütze und läßt den befriedigenden Tag noch mal Revue passieren. »Obwohl ich Norton lieber mit Erik zusammen aufgesucht hätte, ist es ein befriedigendes Gefühl, heute allein erfolgreich gewesen zu sein. Das Leben ist eine Erwiderung, nicht wahr, Liebes?« meint sie, und ihre Stimme klingt für einen Moment weit weg, während wir auf das Parkhaus zufahren.
    »In der Tat. Und du hast heute viele tolle Antworten gegeben! Mich erstaunt immer wieder, Joanie, daß du, je mehr Hürden vor dir aufgebaut werden, um so energiegeladener wirst, um sie zu überspringen. Du bist ein echtes Rennpferd, Himmel noch mal. Ich habe das Gefühl, du hast gerade das Kentucky Derby gewonnen.«
    |175| »Wirklich, Liebes? Wie nett«, sagt sie, erfreut über das Kompliment, besonders angesichts der Widrigkeiten, mit denen alte Menschen im neunten Stadium konfrontiert sind – Dinge

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