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Spaziergang im Regen

Spaziergang im Regen

Titel: Spaziergang im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Barnard
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Hotel empfehlen?«
    Er rief jemandem auf seinem Handy an und sagte dann: »Ich fahre Sie zum Royal York Hotel. Der Portier wird Sie am Hintereingang hereinlassen und Sie dann zu Ihrem Zimmer bringen. Sie können sich dann hinterher um die Formalitäten kümmern.«
    Shara nickte in stummer Dankbarkeit.
    Die nächsten Stunden verschwammen in Erschöpfung, Tränen und Erinnerungen, die ihre Seele zu zerreißen drohten. Sie hatte so viele schöne Stunden mit Derek verlebt, es hatte aber auch so viele andere gegeben, in denen sie ihre Beziehung einsam und emotional unerfüllt gelassen hatte. Sie bedauerte so vieles, dass sie fast daran erstickte; es betraf die verschwendete Zeit in einer Beziehung, die leise gestorben war, aber auch die dunkelhaarige Frau, die mittlerweile einen so großen Teil ihres Herzens und ihrer Seele bewohnte, und nach der sich ihr Körper so sehr sehnte, dass sie es nicht mehr ignorieren und kaum noch von sich fernhalten konnte.
    Sie vermisste Jessa so sehr, dass es schwer auf ihrem schlechten Gewissen lag, zu Derek nicht ganz offen und ehrlich gewesen zu sein. Sie wollte um die verlorene Beziehung mit Derek trauern, stellte aber fest, dass ihre Trauer sich eher auf den Verlust der Sicherheit bezog, genau zu wissen, was die Zukunft – mit Derek – für sie bereit gehalten hätte. Ihre Gefühle in bezug auf Jessa waren viel konkreter: ihr fehlte die Intimität ihrer Freundschaft, die Geborgenheit in Jessas Zuneigung und Unterstützung und die Gewissheit über Jessas Gefühle für sie. Die Intensität, mit der sie diese Dinge vermisste, ließ ihre Gefühle für Derek ins Unbedeutende verblassen, sogar als sie einer Zukunft entgegensah, die möglicherweise weder den einen noch die andere beinhaltete.
    Als die Morgenröte den Nachthimmel erhellte, traf sie eine Entscheidung. Sie wollte die Angelegenheit mit Jessa in Ordnung bringen. Sie wollte eine Beziehung mit ihr, aber sie fürchtete, dass es dafür schon zu spät sein könnte. Sie wusste, dass Jessa sich verletzt und betrogen fühlte, und die Komplexität dieser Gefühle machte sie nervös.
    Derek war zwar Teil ihres Lebens, aber sie und Jessa waren sich beide bewusst, dass das, was sich zwischen ihnen entwickelte, besonders und exklusiv war. Sie sprachen nie über Derek, aber beide wussten, dass Shara sich nach der Reise mit ihm auseinandersetzen musste, um sich über ihre eigene Zukunft klar zu werden. Sie hatten sich bemüht, dies zu ignorieren und die Gesellschaft der anderen in der künstlichen Abgeschiedenheit der Reise zu genießen.
    Jessas Annahme, dass Shara Derek nach Toronto eingeladen hatte, gerade dann, als Jessa im schlimmsten Stress steckte, seit sie sich kannten, und als Shara sie hätte unterstützen können, wäre sogar dann herzzerreißend gewesen, wenn es nichts anderes als Freundschaft zwischen ihnen gegeben hätte. Und dabei gab es da doch so viel mehr.
    Es war höchste Zeit, dass Shara offen eingestand, was sie fühlte. Sie wusste, dass nach Dereks kleinem Überfall die Verantwortung, den ersten Schritt zu tun, nun bei ihr lag. Sich emotional verwundbar zu machen und Jessa zu offenbaren, dass sie mit ihr zusammensein wollte. Ihr erklären, dass Dereks Besuch genauso ein Schock für sie gewesen war wie für Jessa, und ihr zu erzählen, dass sie mit Derek Schluss gemacht hatte und nun hoffte, dass sie und Jessa wieder zusammen sein könnten, nicht nur als Freunde sondern als Liebespaar.
    Sie schob die Tür ganz auf und bemerkte sofort, dass etwas anders war. Sie schaute sich um, auf der Suche nach dem Grund. Als erstes entdeckte sie den Geigenkasten auf dem Sofa und eine Partitur, deren Blätter über dem Esstisch verteilt lagen. Vielleicht hat Jessa gestern Abend gespielt , dachte sie, obwohl sie wusste, dass das nicht sein konnte, weil der Deckel des Salonflügels offenstand und auch dort eine Partitur lehnte. Jessa hatte die Geige nicht gespielt.
    Sharas Herz klopfte noch immer, aber nun aus einem anderen Grund. Als sie weiter in die Wohnung hineinging, sah sie leere Mineralwasserflaschen und Gläser – Mehrzahl – auf dem Wohnzimmertisch. Jessa war eindeutig nicht allein gewesen, und wer immer es auch gewesen sein mag, musste sehr lange geblieben sein, wenn all das Mineralwasser im Anschluss an ein Abendessen getrunken wurde, das nicht vor elf Uhr geendet haben konnte.
    Sie war fast in der Küche, als sie es sah: ein zerknautschtes, recht kurzes, schwarzes Kleid auf dem Boden vor Jessas Schlafzimmer. Sie

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