Speechless (German Edition)
was das im Bad gerade für ein Anfall gewesen ist.
„Hey, Eneas!“
Der Blick des Schwarzhaarigen ging zur Küche, in dessen Durchgang Raven stand und eine kleine, orangene Dose flog durch die Luft. „Nicht, dass du die vergisst.“
Eneas fing – gekonnt.
Antidepressiva. Das konnte Cassiel ganz deutlich darauf lesen. Doch es war Eneas wohl peinlich, weswegen die Pillen erst einmal in seiner Hosentasche verschwanden.
„Er weiß es ohnehin schon von Jenny. Alles was dich und deine Krankheiten angeht“, hörte man die dunkle Stimme aus der Küche. Und beinahe sofort blickte Eneas wieder geschockt zu Cassiel rüber. Es war dem Blonden so, als würde er die Worte Oh mein Gott in den hübschen blauen Augen lesen zu können.
Zusätzlich glitten die Lippen auseinander, gar so, als würde er etwas sagen wollen. Aber er konnte nicht.
Wahrscheinlich überraschte es ihn, dass Cassiel dennoch hier war und mit ihm sprach.
„Ich weiß nicht, ob das alles stimmt, was sie erzählt hat…“
„Größtenteils ja. Das eine war jedoch ein Autounfall, als er von der Kaserne zurückkam. Schuld hatte er keine.“
„Kaserne?“
„Unser Vater ist Kommandeur dort.“
„Ach so.“
Raven kam mit drei recht großen Tassen in das Wohnzimmer, setzte sich zwischen die beiden auf die Couch.
„Das mit dem Hochhaus ist dazu gedichtet. Ich kann mich da nicht dran erinnern und wenn es so gewesen wär e, hätte ich davon gewusst… Alles andere entspricht leider der Wahrheit, ja.“
Während den Worten, die Raven sprach, versank sein Bruder immer tiefer in den Kissen der Couch und wünschte sich wohl nur noch ein Loch, in das er verschwinden könnte, damit er nicht mehr gesehen werden müsste.
„Ist eigentlich irgendwas passiert? Früher, dass das alles so kam?“
„Wir sind keine Engländer, Cas. Eigentlich kommen wir aus Detroit. Ich habe keine Ahnung, wie unsere Mutter damals unseren Vater kennen gelernt hat, aber das tut ja nichts zur Sache. Zumindest kannten wir ihn so gut wie gar nicht, haben ihn so gut wie nie gesehen. Erst, als unsere Mum jämmerlich an irgendeiner Krankheit verreckt ist, kam er uns hat uns hier nach England geholt.
Es klingt zwar scheiße, aber wenn Jenny Eneas und mir Hurensohn vor den Kopf knallt, stimmt das.“
Groß wurden Cassiels Augen.
Die Kindheit der beiden muss sicher toll gewesen sein…
„Die Schule war kurz gesagt die Hölle. Ich kam gerade noch so durch, ’Neas hatte da mehr Probleme. Wegen seiner nicht vorhandenen Stimme. Na ja. Irgendwann ist irgendwas passiert, was er mir nicht anvertraut. Ab da fing es an, dass er keinem mehr vertraut hat. Bis auf mir. Selbst unserem Vater hat er nicht vertraut. Aus dieser Sache wurden dann Depressionen, die er nun schon gute vierzehn Jahre hat und wenig später diese ‚Ich hab keinen Bock mehr’-Phasen, die er öfters hat…“
„Und was ist mit dir? Jenny hat da was erwähnt?“
„Mit Teresa und Mikaela… Ja. Mikaela war meine zweijährige Tochter und Teresa meine langjährige Beziehung, letztlich auch meine Ehefrau. Vor zwei Jahren, da war Mikaela krank gewesen und Teresa wollte schnell zum Arzt mit ihr. Ein Laster hat sie an der Kreuzung dann mitgerissen. Teresa hat die rote Ampel überfahren…
Ich mache niemanden Vorwürfe. Dem Fahr er nicht, weil man kann keine vierzig Tonnen sofort zum Stillstandbringen. Und ihr mache ich auch keine Vorwürfe. Sie hatte Angst… Das einzige was mir halt geblieben ist, ist mein kleines Opfer hier neben mir.“
Mit einem Kopfschütteln, verpasste Eneas seinem Bruder einen Schlag auf den Oberarm und auch Cassiel musste ein wenig lächeln.
„Im Grunde hätte ich dir das jetzt gar nicht erzählen müssen, weil ich dich gar nicht kenne.“
„Jenny hätte es früher oder später aber getan, nur um dich und Eneas bei mir und den anderen schlecht zu reden.“
Raven seufzte. „Hm…wahrscheinlich.“
„Ihr wohnt auch zusammen?“
„Ja. In einem Einfamilienhaus oben bei Darlington. Er hat die Dachgeschosswohnung, ich lebe unten.“
„Dann seid ihr den ganzen Weg nur hergereist, um euren Vater zu sehen?“
„Kann man so sagen, ja. Wir wohnen immerhin schon gute acht Jahre nicht mehr hier. Kaum, dass ich die Schule fertig hatte, hab’ ich mir Eneas geschnappt und bin ausgezogen. Ich konnte Jenny nicht einen Augenblick mit Eneas alleinlassen, ohne dass ich nachher ein heulendes Bündel trösten musste. Das war nicht Sinn der Sache…. Aber woher kennst du Jenny
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