SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit
faszinierend. Ich könnte das jedenfalls nicht. Wahrscheinlich alles geübte Multitasker oder â wie nannte sie der Zeitforscher GeiÃler nochmal? â Simultanten â¦
Thompson bleibt vor einer Wand mit circa dreiÃig Monitoren stehen. Auf jedem einzelnen läuft ein anderer Nachrichtenfilm, der just in diesem Moment von einem der Auslandsbüros eingespielt wird.
»Wir sind zwar schnell, aber unsere Konkurrenz schläft natürlich auch nicht. Es ist ein andauernder Kampf sicherzustellen, dass wir die neueste und schnellste Technologie haben, dass wir genug Geld in die richtige Hard- und Software investieren.«
Mit der Konkurrenz meint er vor allem Bloomberg. Das New Yorker Unternehmen, das vom derzeitigen Bürgermeister der Stadt Michael Bloomberg gegründet wurde, bietet ebenfalls Echtzeitinformationen für die Finanzwelt an. Und das so erfolgreich, dass es Reuters in den vergangenen Jahren schon mehrfach im Umsatz überflügelt hat. Denn Bloomberg bietet den Brokern und Finanzmanagern neben seinen Echtzeitdiensten auch noch einen weltweiten Business-Fernsehkanal. Damit hat man Reuters eine Menge Kunden abgejagt. Doch Reuters tut alles, um in diesem Wettrennen am Ball zu bleiben.
An einem Demonstrationsrechner in einem Kundenpräsentationsraum im zweiten Stock der Reuters-Zentrale erklärt mir Produktmanager Alan Matthews, wie die riesige Reuters-Echtzeitmaschine im Alltag funktioniert und welchen praktischen Nutzen sie für die 500 000 Kunden aus der Finanzwelt hat. Die Reuters-Benutzeroberfläche 3000 Xtra etwa bietet dem Kunden direkten Zugang zu rund 260 Handelsplätzen weltweit. Das macht es dem Investmentbanker in Singapur zum Beispiel möglich, im selben Moment in Frankfurt, London und New York sowie an zig anderen Börsen der Welt zu handeln und auf das dortige Geschehen zu reagieren. Sprich: gleichzeitig in alle Handelsplätze Geld hineinzupumpen oder wieder herausziehen. Innerhalb von Sekunden. Bruchteilen von Sekunden â¦
Matthews deutet auf eins von zwei groÃen Computerdisplays und sagt: »Hier laufen in verschiedenen Fenstern ständig Nachrichten, Börsenkurse, Wechselkurse und Preise für Staatsanleihen aus der ganzen Welt ein. In Echtzeit. Hier links laufen zum Beispiel Börsennotierungen ein, und in der Spalte daneben stehen die jeweiligen Börsenplätze, von denen wir den Kurs bekommen. New York, Hongkong, London. Und jedes Mal, wenn es rot blinkt, also ungefähr jede Sekunde, wird der Kurs aktualisiert. Wir bekommen die Preise live von den Banken und Börsen aus aller Welt, speisen sie in unser System ein und stellen sie dann über dieses System unseren Kunden zur Verfügung. Und all das quasi im gleichen Augenblick. Sodass man überall auf der Welt den gleichen Preis zur gleichen Zeit sehen kann, egal ob man als Händler in New York, London oder Hongkong vor seinem Monitor sitzt.«
Gespannt höre ich den Erklärungen des sympathischen Engländers mit der randlosen Brille zu. Endlich verstehe ich mal, was die Investmentbanker, die man regelmäÃig in den Fernsehnachrichten in riesigen Handelsräumen der groÃen Banken vor zwei, drei, vier oder fünf Computerbildschirmen sitzen sieht, da so treiben. Matthews, kariertes Hemd, freundliches Lächeln, blonde Haare, ist der Typus seriöser und grundehrlicher Buchhalter. Ãberaus nett, zurückhaltend, aber auch ein bisschen farblos. Einem wie ihm würde ich sofort mein Erspartes anvertrauen. Wenn ich über nennenswertes Erspartes verfügte. Vielleicht ist er mir ja deswegen von der Reuters-Presseabteilung als Gesprächspartner vermittelt worden. Der Präsentationsraum ist einer von vier halb schick, halb funktional eingerichteten Glaskästen, in denen Matthews und seine Kollegen ihren Kunden auf sie zugeschnittene Benutzeroberflächen verkaufen.
Der Produktmanager zeigt auf ein weiteres Fenster am linken Monitor, an dessen oberem Rand alle paar Sekunden eine neue Schlagzeile erscheint, die die ein paar Sekunden älteren Schlagzeilen nach unten verdrängt. In den StoÃzeiten kämen fünfzehn bis achtzehn davon pro Minute rein, sagt Matthews.
»So viele Informationen kann doch kein Mensch aufnehmen. Das liest doch bestimmt überhaupt keiner mehr«, wende ich ein.
Matthews grinst. In seinem Geschäft sage man, Nachrichten bewegen die Märkte! Natürlich könnte kein Händler die alle lesen, geschweige
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