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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
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Großrechner. Zwischen den Banken und Investmenthäusern gebe es inzwischen regelrechten Streit um jeden Meter Kabellänge, den der eigene Server weiter entfernt zum Großrechner der Börse steht als der des Wettbewerbers.
    Damit müssten wir aber doch endgültig an einem Limit angekommen sein. Noch mehr »Echtzeit« kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen. Kann es überhaupt noch schneller werden?
    Â»Wir sind noch lange nicht am Ende angekommen. Vielleicht auf einem Plateau. Aber solange die Chiphersteller immer schnellere Computer herstellen und die Wettbewerber immer effizientere Programme entwickeln, hört das Wettrüsten um die höchsten Geschwindigkeiten nicht auf. Der Heilige Gral wäre es, wenn der ganze Markt weltweit auf einem Großrechner liefe, aber davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt.«
    Der ganze Markt auf einem Computer? Und dann? Mir rauscht der Kopf. Millisekunden, Mikrosekunden, vielleicht demnächst Nanosekunden. Das sind Einheiten, die ich wirklich nicht mehr begreife. Es sind die Einheiten der Maschine, nicht die des lebenden Wesens. Ich komme mir vor wie in einem Science-Fiction-Szenario. Bleibt die Frage, warum wir das machen. Was gewinnen wir, wenn wir eine Milli-, Nano-, Irgendwas-Sekunde schneller sind? Warum produzieren wir so viele Daten, dass wir sie selbst nicht mehr verarbeiten können und unsere Weltwirtschaft, von der ja ein nicht unerheblicher Teil unseres Alltags und unseres Wohlergehens abhängt, stattdessen lieber ganz und gar der Kontrolle des Computers ausliefern?
    Eine Stunde später – ich bin immer noch etwas benommen von dem, was ich da gerade gehört habe – sitze ich wieder bei Mark Thompson im Newsroom. Die vielen arbeitenden Menschen, die Hektik des Alltagsgeschäfts, das Klackern der Tastaturen, all das hat auf einmal eine ungemein beruhigende Wirkung auf mich. Wenigstens arbeiten hier noch Menschen. Ist mir lieber, als nur noch Prozessoren surren zu hören. Ob die große Finanzkrise 2008 nicht vielleicht ein Zeichen dafür gewesen sein könnte, dass der Mensch und die Wirtschaft mit dem Tempo des Marktes und der Masse an Informationen schlicht überfordert sei, frage ich Thompson. Er grübelt kurz, rutscht nervös auf seinem Bürostuhl hin und her. Ich merke, ihm passt die Frage nicht. Die Reuters-Pressesprecherin, die auch jetzt wieder bei uns sitzt, bemerkt sein Unbehagen und unterbricht. »Ich mag diese Frage nicht. Du musst sie nicht beantworten.«
    Natürlich soll er, denn genau darum geht es hier doch, denke ich insgeheim und verfluche die Pressesprecherin.
    Thompson zieht die Brille aus und beißt auf seinen Brillenbügel. Dann antwortet er nach einer Weile doch. »Vielleicht hat der information overload auch ein bisschen zur Finanz- und Wirtschaftskrise beigetragen. Vielleicht haben die Leute an der Spitze wichtiger Organisationen, Aufsichtsbehörden und Zentralbanken die Risiken, die sie eingingen, und die Natur der Finanzprodukte und die Gefahr für das Bankensystem und ganze Volkswirtschaften nicht mehr wirklich überblickt. In einem Zeitalter, in dem wir mit mehr Informationen als jemals zuvor umgehen müssen, kann es schon sein, dass die Aufmerksamkeit zu zerstreut war. Aber sollen wir jetzt deshalb die Masse der Informationen reduzieren? Das glaube ich nicht! Ich glaube nicht, dass es eine Lösung ist, die Prozesse wieder zu verlangsamen oder abzubremsen. Nein, im Gegenteil. Wir müssen das technische Rüstzeug dazu bereitstellen, dass die Menschen mit diesen vielen Informationen umgehen und herausfinden können, was für sie wichtig ist. Wir müssen die Informationen intelligent machen, damit sie zu den Menschen kommen, die sie brauchen, zu der Zeit und in der Form, in der die jeweilige Person sie benötigt.«
    Also noch mehr Technik statt weniger. Noch schneller statt langsamer. Das »Wettrüsten« wird weitergehen. Eines ist mir spätestens jetzt klar: Die Technik – nicht der Mensch – bestimmt längst das Tempo. Ob nun mit oder ohne Internet, BlackBerry oder iPhone. Da können wir multitasken, soviel wir wollen. Für vieles, was heute möglich ist, sind wir einfach zu langsam und werden daher abgeschafft. Die Welt scheint ohnehin längst auf Autopilot zu laufen.
    Ich verabschiede mich von Thompson und gehe zum Aufzug. Irgendwie brauche ich dringend frische Luft, mich zieht es nach draußen. In die echte

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