SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit
Farm im Pumalinpark. Sie liegt am gleichen Fjord, an dem auch Tompkinsâ Haus ist, auf dem gegenüberliegenden Ufer. Fünfzehn Minuten Fahrt mit dem Boot. Auch dieses Tal sei bei seiner Ankunft vor zwanzig Jahren ziemlich tot gewesen. Hier könne man aber besichtigen, wie es aussehe, wenn die mühsame Renaturierung glückt.
»Eine sehr schöne und befriedigende Arbeit, aber auch sehr teuer. Doch wenn es gelingt, ist es das Schönste, was es gibt. Toller als alles, was wir sonst machen. Du kommst an einen total kaputten Ort und erweckst ihn wieder zum Leben. Da kann man nur innehalten und zu sich sagen: Mann, ist das schön. Das macht mich unheimlich glücklich.«
Tompkinsâ Leute arbeiten hier an einem wahrhaft groÃen Projekt mit dem Namen »Allerce 3.000«. Sie wollen den Regenwald zurückbringen. Tompkins führt mich durch eine Baumschule mit Tausenden kleinen Setzlingen.
»Wir züchten hier Bäume, vor allem die Allerce, auch âºPatagonische Zypresseâ¹ genannt, die hier in den Urwäldern vorkommt. Diese Minisetzlinge, die hier gerade mal zwei bis drei Zentimeter groà sind, werden erst in tausend Jahren ausgewachsen und ein wunderschöner Wald sein. Erst wachsen sie zweihundert Jahre in die Höhe, fünfzig Meter hoch. Dann werden sie nur noch dichter und breiter. Und dann genieÃen sie ein paar tausend Jahre lang ihr Leben.«
Er lacht und breitet die Arme aus, als ob er es sich in einem Liegestuhl gemütlich machen wollte.
»Diese Bäume können viertausend Jahre alt werden.«
Das sind die Zeitspannen, in denen Douglas Tompkins denkt. Er scheint nicht mehr damit zu rechnen, das Ergebnis seiner Projekte selbst noch zu erleben. Um mir auszumalen, wie lange viertausend Jahre sind, rechne ich zurück. Im Vergleich dazu ist unser eigenes Leben ein schlechter Scherz. Vollkommen unerheblich.
Wir schlendern weiter an den Beeten mit den Minibäumchen vorbei. Achtzehn verschiedene Baumsorten werden hier herangezogen. Alles Ursorten von hier und alle sehr schwer zu züchten. Und sie wachsen sehr langsam. Deshalb hätten seine Vorgänger in der Gegend sowie überall auf der Welt in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren die natürlichen Prozesse beschleunigen wollen und sie durch schneller wachsende Sorten ersetzt. Eben nach den Regeln der industriellen Landwirtschaft.
»Man hat neue Sorten eingeschleppt, sie in Reih und Glied angepflanzt wie Soldaten. So wie wir das hier in der Baumschule machen«, regt sich Tompkins auf und deutet auf die unzähligen Reihen kleiner Baumsetzlinge. »Nur dass unsere kleinen Soldaten bald in einem schönen Wald wild durcheinander mit vielen anderen Pflanzen stehen werden.« Soldaten zu produzieren, Monokulturen in Reih und Glied, das sei das Ergebnis menschlicher Cleverness. Damit die Maschinen besser arbeiten könnten. »Maschinen lieben gerade Linien. Denn dann geht es schnell. Und man kann schnelles Geld verdienen. Es geht immer nur darum: schnell Geld zu verdienen. Wir versuchen hier das Gegenteil. Wir lassen uns von der Weisheit der Natur leiten, nicht von menschlicher Cleverness und der Maschine. Wir bekämpfen diese Logik. Wir sind Subversive. Wir wollen langsam sein.«
»Also, langsam kommen Sie mir nicht gerade vor, Douglas Tompkins.«
Er grinst. Und antwortet: »Na ja, ich beschleunige eben die Entschleunigung.«
Es ist wieder einer dieser Momente, in denen Douglas Tompkins weiÃ, dass er noch nicht alle Widersprüche seines Lebens auflösen konnte. Aber wer bin ich, dass ich jemanden dafür kritisieren oder verurteilen wollte? Mein eigenes Leben ist voller Widersprüche. Mich beeindruckt dieses verrückte und radikale Entschleunigungsprojekt trotz allem. Obwohl ich natürlich weiÃ, dass ich mir diese Art der Entschleunigung nie leisten könnte. Aber was sollâs? Für den weltweit operierenden Kapitalisten und Textilunternehmer Douglas Tompkins war es ein ziemlich radikaler Schritt. Er hätte genauso gut Aktien oder Luxusjachten sammeln können. Aber das hat er eben nicht. Vielleicht kommt es ja genau darauf an: dass jeder seinen eigenen Weg findet.
Um politisch etwas zu bewegen, müsse man nicht viel Geld haben, darauf besteht Tompkins. Wie viele erfolgreiche Umweltaktivisten oder politische Aktivisten seien denn schon reich gewesen? Und umgekehrt: Wie viele reiche Menschen hätten es denn schon geschafft, die
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