SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit
Welt positiv zu verändern? Eben. Martin Luther King, Gandhi, Buddha, die seien alle arm gewesen. Einige Hügel weiter lebe ein Mann, den er bewundere wie kaum einen zweiten. Materiell gesehen sei der sehr arm, aber in den letzten vier Jahrzehnten habe er spirituell und moralisch Gewaltiges zur Verbesserung seiner Umgebung beigetragen. Sein eigenes Wohlergehen und sein eigener materieller Reichtum seien ihm dabei zweitrangig gewesen. Mit den Mitteln, die er hat, tut er, was er kann. Er sollte den Nobelpreis bekommen. Er geht seinen eigenen Weg.
Dem Weg, den Tompkins selbst gewählt hat, kann nicht jeder etwas abgewinnen. Wer so viel hat, wer so viel bewegt, hat auch viele Feinde. Tompkinsâ Gegner sehen in ihm einen gefährlichen Radikalen. Ist er das?
»Die Welt ist voll von Radikalen. Von Fortschrittsfanatikern und Entwicklern.« So sieht es Tompkins. »Aus unserer Sicht sind das die Radikalen. Und die kritisieren uns natürlich, weil sie kein Interesse daran haben, dass Dinge langsamer gehen und nicht mehr wachsen. Sie vertreten eine extreme und radi kale Wachstumsideologie. Geschwindigkeit, Effizienz und Wachs tum sind die Säulen dieser Ideologie. Umweltschutz und wirkliche Nachhaltigkeit bremsen dieses Wachstum, stoppen es vielleicht sogar. Aber wir müssen dieses Wachstums- und Beschleunigungsmonster bekämpfen.«
Und diese Radikalen haben sich in den letzten Jahren so einiges einfallen lassen, um Tompkins, den reichen Gringo, zu diskreditieren. Dass er den amerikanischen Bison auf dem Gebiet züchten wolle, war noch das harmloseste Gerücht, das verbreitet wurde. Andere behaupteten, er wolle einen Tunnel unter den Anden graben lassen und einen zweiten jüdischen Staat auf seinem Land errichten. Er kaufe die Berge auf, um ein Monopol auf Granit aufzubauen. Er sei von der CIA geschickt, wahlweise, um die Frischwasservorräte Chiles zu horten, Atommüll zu vergraben, Gold zu suchen oder Mafiageld zu waschen. Tompkins sei eine Gefahr für die nationale Sicherheit, warnte zum Beispiel der Chef des Verbandes der chilenischen Lachszüchter. Von links erkannte man in Tompkinsâ Projekt Yankee-Imperialismus, der Rechten war er suspekt, weil er besitzt, aber das Land nicht nutzt. Dass er es wirklich ernst meinen könnte mit Umweltschutz und Entschleunigung, scheint jenseits der Vorstellungskraft der meisten seiner Kritiker zu liegen.
»Da wurden Dinge behauptet, die man sich in den wildesten Träumen nicht ausmalen würde. Aber das sind ein paar Leute, nicht viele. Hier in Chile haben die meisten Menschen zum Glück genug Verstand. Man muss diese Typen, die diesen Unsinn verbreiten, einfach als das behandeln, was sie sind: Idioten. Sie verarschen die Leute. Aber letztlich helfen sie uns damit nur. Denn wenn die Menschen herausfinden, dass sie belogen und betrogen wurden, stehen sie danach umso fester auf unserer Seite. Eigentlich müssten wir diesen Verrückten dankbar dafür sein.« Ursprünglich sei es ihm ja nur um Umweltschutz gegangen, aber durch all die kruden Anschuldigungen sei er inzwischen auch in die politische Debatte gezogen worden, welchen Entwicklungsweg Chile gehen sollte, ein Schwellenland am Scheideweg zwischen brutalem Wachstum und nachhaltiger Entwicklung.
»Inzwischen können wir mit den Leuten auch darüber reden, wie ein gutes und würdevolles Leben aussehen könnte, eine gerechte Gesellschaft, die den Planeten mit anderen Lebewesen teilt. Viele haben erkannt, dass das gegenwärtige Entwicklungsmodell falsch ist und dass wir unsere Lebensweise und unsere Gesellschaft ändern müssen. Die Globalisierung, die uns von den Konzernen und ihren Handlangern in den Regierungen als das Allheilmittel verkauft wurde, hat sich als totaler Fehlschlag erwiesen. Sie hat das Gegenteil dessen gebracht, was versprochen wurde. Und das beginnen auch die Leute hier zu begreifen.«
Nicht aber die Industriellen und Politiker Chiles. Gegen die muss Tompkins weiter kämpfen. Eine StraÃe, deren Bau einst vom Diktator Pinochet befohlen wurde, wollen die durch den Urwald des Pumalinparks fortführen. Hundert Meter breit soll die Schneise in den Wald geschlagen werden. Der Industrialisierung Patagoniens soll sie dienen. Das hieÃe mehr Lachsfarmen, Sojafelder, Bergwerke und Rohstoffabbau. Und Staudämme. Die sind schon in Planung. Sie sollen sechstausend Hektar Wald und Wiesen überfluten und den Strom über die
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