Speichelfaeden in der Buttermilch
in Deutschland Konzerne oder Fernsehsender leiten. Während sich um das Gros der Deutschen die Ärzte ohne Grenzen und die Caritas kümmern. Gut, dass ich schon so früh den Absprung geschafft habe, durch meine Sensibilität und mein seismographisches Gespür, habe ich alles schon kommen sehen, als einer der wenigen, schon vor dem Fall der Berliner Mauer. Mein Kind ist jetzt Deutsche der zweiten Generation in Österreich, kaum mehr unterscheidbar von echten Inländern, nur dass sie halt keine Markenprodukte trägt und weniger Gesprächsguthaben auf dem Handy hat als ihre österreichischen Freunde.
14.5.
Liebes Tagebuch, schon mal darauf geachtet? In amerikanischen Filmen und Serien haben Polizisten und Journalisten, wenn sie im Büro sind, ununterbrochen Kaffee im Mund. Die Kaffeehäferln sind geradezu mit den Mundwerkzeugen verwachsen, pro Folge trinken die Monks und Kiefer Sutherlands mindestens 600 Liter Kaffee, zwar den dünnen amerikanischen, aber immerhin. Journalisten sprechen in amerikanischen Serien eigentlich ununterbrochen in eine Kaffeetasse. Sodass sie im Original wahrscheinlich gar nicht zu verstehen sind für den Zuschauer. Bei FM4 ist es nicht anders. Für die 80 Mitarbeiter von FM4 gibt es neun Kaffeeautomaten und zusätzlich noch 24 Kaffeemaschinen. Außerdem acht Espressomaschinen sowie 14 Thermoskannen, die vollgefüllt in der Früh mitgebracht werden. In der Redaktion herrscht ein ohrenbetäubender Lärm, weil die ganze Zeit über Kessel pfeifen und Automaten arbeiten. Wenn um Mitternacht endlich ein weiterer grauenvoller FM4- Tag vorbei ist, haben meine Kollegen durchschnittlich 9350 Liter Kaffee weggemacht. Ob das bei den Polizisten in der angrenzenden Polizeiwache in der Taubstummengasse auch so ist, wie in US -Serien, weiß ich nicht, vermute es aber, weil ich immer öfter Polizisten sehe, die Kaffeeflecken auf der Polizeimütze haben.
Liebes Tagebuch, ja, hier wird viel Kaffee getrunken. Aber nicht weil er schmeckt, und nicht weil er wach hält und nicht weil die Redakteurinnen und Redakteure sich besser konzentrieren können wegen des Koffeins. Die Kollegen trinken Kaffee, um sich von unseren englischen Kollegen abzuheben. Der Teemafia. Wahnsinn, was die wegmachen. Ganze Earl-Grey-Container. Ganze Teeplantagen werden hier in heißes Wasser geworfen und dann mit abgespreiztem kleinem Finger in Teetassen zum Mund geführt. FM4 – das ist Tea-Time nonstop. In Beuteln, ganzen Blättern, als Kraut. Überall, Hochland und Tiefland, Tee mit und ohne Flavour und mit Milch und ohne Milch. Ein Teenirwana. Unsere englischen Kollegen hätten bei der Bostoner Tea-Party den Atlantik ausgesoffen, weil der Tee ins Meer geworfen wurde. Da lobe ich mir Grissemann und mich. Wir sind die Einzigen, die bei diesem Kaffee- und Teequatsch nicht mitmachen. Wir sitzen gemütlich in unserem Zweimann-Kleinraumbüro und kippen Jägermeister im Minutentakt. Ach, das Leben kann so großartig sein.
15.5.
Liebes Tagebuch, immer noch liegt die Hasenklage auf Blumenaus Schreibtisch. Daneben sein Jägerhut, der schlafende Jagdhund, seine Jagdflinte und sein Jagdhorn. Er selber bereitet sich mit seinen englischen Freunden noch unten in der Kantine auf die Hetzjagd vor. Die Engländer lieben ihn, denn diese Art von Jagd mit Bluthunden ist ja in England verboten worden, aber Blumenau hat die Funkhauswiese zum Jagdrevier erklärt und auf den 160 Quadratmetern Gelände hat er hunderte von Tieren ausgesetzt, die er mit den Engländern erlegen wird, wenn wir nichts tun. Stermann und ich, wir sind die größten Tierfreunde bei FM4 , was nicht schwer ist, weil wir die Einzigen sind. Die Kollegen halten uns für ein bisschen überspannt, weil wir dafür eintreten, dass Tiere auch wählen dürfen und gewählt werden dürfen und es auch bei FM4 eine sogenannte Tierquote geben muss. Mindestens 40% aller Mitarbeiter müssen Tiere sein. Wirbeltiere, Säugetiere, Einzeller, Wirbellose, Paarhufer, von allem etwas, paritätisch halt. Blumenau steht philosophisch auf der genau anderen Seite, wobei man einen sehr weit gefassten Philosophiebegriff haben muss, wenn man das Totschießen von Tieren philosophisch nennt.
Liebes Tagebuch, ich habe die Hasenklage verschluckt. Diese kleine Pfeife aus Plastik, mit der Hasen angelockt werden, damit Füchse kommen, die man dann erlegt. Ich hab Blumenau und den englischen Aristokraten einen Strich durch die Rechnung gemacht. Grissemann hat das Horn verschluckt und Blumenaus albernen Jägerhut. Die
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