Speichelfaeden in der Buttermilch
Flinte haben wir in der Mikrowelle geschmolzen und den Jagdhund zum neuen Chefcontroller gewählt. Wir haben dem Hund erklärt, was fortan seine Befugnisse sind und ihm zugesichert, das FM4- Alphatierchen sein zu dürfen. Er hat uns – wahrscheinlich vor Freude – ins Gesicht gebissen. Ich bin sehr gespannt, wie Blumenau und die Engländer schauen werden, wenn sie den Jagdhund auf Blumenaus Schreibtischsessel sehen, mit runder Brille auf der Nase, vor sich die Musikwünsche für die Sendung »Zimmerservice«, die selbstverständlich ab jetzt der Hund moderieren wird.
16.5.
Liebes Tagebuch, Chefcontroller Blumenau, der alte Angeber, war ja ein paar Tage auf Einladung des neuen Papstes im Vatikan, um dort das katholische Weltjugendtreffen zu besprechen. Ich saß jetzt zusammen mit den anderen Kolleginnen und Kollegen im großen Sitzungssaal und musste seinem Reisebericht lauschen. Blumenau stand in einem kardinalsroten Umhang auf einem Podium und erzählte mehrere Stunden in fließendem Latein. »Venerat iam tertius dies, id est expectatio liberae cenae. Stermann, übersetzen!« Zitternd stand mein deutscher Kollege auf und begann stockend: »Am dritten Tag …« Aber schon schrie Blumenau ihn nieder: »Schon war der dritte Tag da, setzen, du Pfeife! Boris Jordan, weitermachen!« Und Boris Jordan stand kreidebleich auf. »Schon war der dritte Tag da und das hieß: Aussicht auf ein zwangloses Souper.« Blumenau klatschte einmal in die Hände und warf dem klugen Boris Jordan ein Zuckerl zu. »Brav, Jordan. Weiter so! Alle anderen schreiben 45.000-mal: ›Venerat iam tertius dies heißt: Schon war der dritte Tag da.‹« Blumenau selbst spricht ja, wie Papst Ratze auch, fließend Latein. Ihm ist nicht begreiflich zu machen, dass es für die Arbeit bei einem Jugendsender wie FM4 nicht unbedingt erforderlich ist, perfekt Latein zu können. Er prügelt uns alle in diese tote Sprache hinein. Dass es kaum Musik mit lateinischen Texten in den FM4- Charts gibt, ist ihm egal. Aber wünschenswert findet er es.
Liebes Tagebuch, ich habe, um mich beim Chefcontroller einzuschleimen, einen Rap auf Latein geschrieben. Bei der nächsten Lateinstunde werde ich ihn vortragen. Wir haben ja täglich eine doppelte Doppelstunde Latein. Von 5 Uhr früh bis 9 Uhr. Bevor wir dann die Redaktionssitzung in lateinischer Sprache haben. Kleine Rap-Kostprobe, liebes Tagebuch? »In Leone cataphagae nascuntur et imperiosi; in virgine mulierosi et fugitivi et compediti.« Ach, ich hatte vergessen, dass du ja des Lateinischen nicht mächtig bist, liebes Tagebuch. In meinem Rap geht es um Sternzeichen, das hieß jetzt »In Löwen werden Gourmands geboren und Menschen, die immer kommandieren wollen; in der Jungfrau Schürzenjäger und Ausreißer und Kettensklaven. In der Waage Metzger und Drogisten und lauter Leute, die etwas ausbalancieren; im Skorpion Giftmischer und Meuchelmörder, im Schützen Menschen mit Schielaugen, die nach dem Kohl schauen und nach dem Speck greifen.« Und, gefällt's dir? Sag einfach: »Ita est.« Ja. Mein liebes Tagebuch.
Übrigens, angeblich plant Blumenau ab Juni täglich die Nachrichten in Altgriechisch. Mal sehen, wie sich das auf die Quoten auswirkt.
17.5.
Liebes Tagebuch, langsam wird es mir zu anstrengend, Stermann ständig hinter mir herzuziehen. Seit dem FM4- Fußballspiel für »Licht ins Dunkel« gegen diese Anwälte kann er ja nicht mehr selber gehen. Er ist schon in der ersten Minute mit dem Fuß in einem Rasenloch hängen geblieben und hat sich die Bänder im Fuß gerissen. Hans Krankl dachte, Stermann habe einen Krampf, und hat ihm den Fuß bei ausgestrecktem Bein nach oben gebogen. Stermanns Schmerzschrei war bis nach Budapest zu hören. Jedenfalls fällt er noch immer regelmäßig ins Schmerzkoma. In seinen kurzen Wachphasen ziehe ich ihn schnell ins Funkhaus, damit wir unsere Arbeit erledigen können. Auf Dauer ist das ständige Nachziehen des Deutschen aber auch keine Lösung. Die Ärzte sagen, dass der Schmerz so groß war, als Krankl ihm den Fuß umgebogen hat, dass Stermann wahrscheinlich bis an sein Lebensende immer wieder ohnmächtig werden wird. Der Arme.
Liebes Tagebuch, ich bin gerade kurz wach. Komisch, dass ich immer wieder einschlafe, obwohl ich doch gar nicht müde bin, aber das wird wohl … Liebes Tagebuch, ich bin gerade kurz wach. Weißt du, immer wenn ich daran denke, wie weh das tat, als mir der Teamchef den Fuß nach hinten drückte, dann sehe ich sofort Sterne und falle
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