Speichelfaeden in der Buttermilch
»Workstation«-Lehrlinge haben Angst vor ihm. Zu Recht, steht er doch auf Frischfleisch, wie jeder anständige Kannibale. Jeder FM4- Mitarbeiter hat ja einen kleinen Kühlschrank, aber den von Herrn Fuchs trauen wir uns nicht zu öffnen. Sind da eventuell die tiefgekühlten Organe von Manuel, dem Fahrradboten drin, der seit Dezember letzten Jahres vermisst wird? Um Gottes willen, da darf man gar nicht dran denken, liebstes Tagebuch …
6.5.
Die Herren Puntigam, Haipl und Duscher haben gestern bei Senderchefin Eigensperger um 16 Euro Gehaltserhöhung angesucht. Ein dreistes Unterfangen, wenn man daran denkt, dass ihr Gehalt nach Sozialversicherungsabgaben und Steuer momentan laut eigenen Angaben 14 Euro beträgt. Unnötig zu erwähnen, dass das unverschämte Ansuchen abgelehnt wurde. Um böses Blut zu vermeiden, hat die liebe Senderchefin den dreien ein hübsches Geschenk gemacht. Jeder hat ein kleines Sparschwein bekommen, wie man es aus der Robert-Lembke-Sendung kennt. Sie mögen doch jeden Monat einen Euro da reinschmeißen. Nach nur zehn Jahren hätten sie dann auf einmal 120 Euro im Schwein, meinte die schlaue Senderchefin. Geblendet von der enormen Summe schlichen die drei entrückt grinsend wieder an ihre Schreibtische zurück.
Das nennt man Verhandlungsgeschick, liebes Tagebuch! Sätze wie »Wer weniger verdient, zahlt auch weniger Steuern, denkt mal drüber nach« oder »Geld verdirbt den Charakter« aus dem Mund der Senderchefin sind längst Legende bei FM4 . Und tatsächlich ist der durchschnittliche FM4- Redakteur ein Musterbeispiel an Sparsamkeit. Der einzige Luxus, den wir uns gönnen, ist das sogenannte »Stammtischschlemmen« jeden letzten Montag im Monat in der Funkhauskantine. Da werfen alle Mitarbeiter ihre Kohle zusammen, mit der wir uns dann ein Magerjoghurt leisten, das begeistert von allen ausgelöffelt wird. Den leeren Becher nimmt sich immer Herr Pfister mit nachhause und versucht ihn auf eBay zu versteigern. Bislang erfolglos. Aber was nicht ist, kann ja noch werden!
7.5.
Dieses verdammte Fußballspiel rückt näher, liebes Tagebuch. Ich bin mit Kapitän Stermann zurzeit in Innsbruck, sodass wir beide nicht mit den anderen Leistungsträgern trainieren können. Das ist schlecht, weil es so am Spieltag zu Abstimmungsschwierigkeiten kommen könnte. Stermann und ich trainieren im engen Hotelzimmer, so gut es geht. Ich als bulliger Mittelfeldmotor laufe meine Runden ums Bett, während Stermann als schwerfälliger Ballverteiler wie in Trance Pfirsiche und Ringlotten aus dem offenen Fenster schießt. Mit Sprüchen wie »Dumm kickt gut« und »Stermann Dicki ist homosexuell« versuche ich, immer mit dem Schalk im Nacken, den Stermann ein wenig aufzuheitern. Das Wichtigste ist gute Stimmung im Team. Des Abends sind wir via Bildtelefon mit dem Rest der Mannschaft verbunden, um von Teamchefin Hölzl taktische Feinheiten zu lernen.
Chris Kemmler, Hannes Duscher und Fred Schreiber sind laut Teamchefin Hölzl in atemberaubender Topform, auf die drei wird das Spiel zugeschnitten. Kemmler – intern auch Torwart des Schmerzes genannt – geht grundsätzlich mit gestreckten Armen und Beinen in den Gegner rein. Wenn er es schafft, auch noch eine stramme Erektion zu bilden, dann sind sogar fünf knüppelharte Extremitäten da, um den gegnerischen Stürmer das Fürchten zu lehren. Fred Schreiber läuft schneller, als er spricht und Hannes Duscher ist als eine Art FM4- Beckham sowieso eine Bank. Die anderen FM4- Kicker, vor allem Edlinger und Blumenau, haben noch großen Trainingsrückstand und kommen aus eigener Kraft bislang noch nicht aus dem Mittelkreis raus. Nach zwei Metern fallen sie vor Erschöpfung um. Aber wir haben ja noch Zeit. Und Ute Hölzl, eine Nichte Felix Magaths übrigens, wird's schon richten!
8.5.
Stermann und ich bereiten uns getrennt von der FM4- Mannschaft in einem Innsbrucker Hotelzimmer auf das Spiel der Spiele am Samstag vor. Zurzeit trainieren wir bei mir im Zimmer. Es ist nur sechs Quadratmeter groß und vollgerammelt mit Koffern. Wir können den Raum also ganz gut eng machen, das wird unsere Trainerin Hölzl freuen. Sie will – wie sie sich ausdrückt – ein schnelles Spiel mit immer nur einer Ballberührung und Viererkette. Ob das klappt, liebes Tagebuch? Ich weiß ja gar nicht, was das genau bedeuten soll. Ich fürchte, wir werden es nicht mal zu einer Ballberührung bringen. Mir schlottern auf einmal die Knie – das Ganze wird ein Viererkettensägenmassaker.
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