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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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Tarrisson oder was oder wer hängen dort grundstupide am Fahrrad, mit dem man nie vom Fleck kommt. Aber auch weniger peinliche Prominenz, wie Stermann selbst, kommt zum Stemmen vorbei, Burgtheater-Cheffe Bachler zum Beispiel. Ich habe angeregt, das Fitnesscenter in »Paradies der Ungeliebten« umzutaufen. Damit der, auch etwas zu mollige Herr Menasse ein wenig zufriedener wird, wenn er sich denn reintraut, der beleidigte Dichter.
    Herr Menasse war noch nie da. Herr Handke auch nicht, und die Jelinek sucht man an der Saftbar auch vergeblich. Die Arbeit am Körper ist und bleibt eine intellektuellenfeindliche Tätigkeit. Leider, liebes Tagebuch. Mein Fitnesscenter jedenfalls ist mein neues Zuhause, auch wenn entsetzlicher Bordelltechno aus den Boxen dröhnt und man den Clerici hinter jedem Duschvorhang vermutet. Werde mich für ein Fitnesscenter im Funkhaus einsetzen, da sind wir Radiogötter dann unter uns beim Schwitzen. Werde es konsequenterweise »House of Pain« nennen. Aber das ist noch Zukunftsmusik, du kraftloses Tagebuch.
    12.6.
    In exakt einem Jahr beginnt die Fußball- WM in Deutschland, liebes Tagebuch. Schon jetzt sieht man im deutschen Fernsehen im linken oberen Bildrand Inserts mit der Aufschrift »Noch 365 Tage«. Die Vorberichterstattung beginnt wirklich ein bisschen arg früh, oder? Aber wenn man die Spannung halten kann, warum nicht. FM4 könnte sich auch überlegen, Jingles zu schalten wie »Noch 194 Tage bis zum ›Projekt X‹-Silvesterstadl« oder »Noch 3297 Tage bis zum FM4- ist-20-Fest in der Arena«. Oder »Noch fünf Tage bis zur ›Salon-Helga‹-Wiederholung vom 2.5.1998«. Die Hörer heiß machen ist alles im modernen Radiogeschäft! Auf was, ist eigentlich relativ wurscht. Übrigens: noch drei Sekunden, bis Stermann seine Brummstimme erhebt.
    Hier bin ich ja schon, liebes Tagebuch. Ihr habt euch drei Sekunden lang auf mich gefreut, und da bin ich jetzt. Als Ereignis durchaus vergleichbar mit der Fußballweltmeisterschaft 2006, nicht wahr? Na ja, diese blöden Countdowns kennen wir alle ja seit der Kinderzeit: Noch dreimal schlafen, dann ist Weihnachten und so was. Funktioniert allerdings nur bei sympathischen, massentauglichen Phänomenen. Unvorstellbar wäre vermutlich das Fernsehinsert »Noch 19 Tage bis zum Geburtstag von Herrn Gudenus« oder »Achtung, Achtung: Nur noch 256 Tage bis zur verpflichtenden Steuernachzahlung!« So, das war's. Und mir bleibt noch zu sagen: nur noch zwei Tage bis zur nächsten rasend interessanten Tagebucheintragung.
    14.6.
    Liebes Tagebuch: Zensur. Eine absolute Unverschämtheit. FM4 ist Nordkorea. Maulkorb für Stermann und mich, wir sind Woodward und Bernstein, wir haben FM4 s Watergate aufgedeckt. Aber der Reihe nach. Wir haben die Spesenabrechnungen von Chefcontroller Blumenau gefunden bzw. eben nicht gefunden. Nur Angaben darüber, dass Blumenau mehrere hunderttausend Euri in den letzten Jahren ausgegeben hat für Schuhe, Taschen, Partys und seinen Porsche. Ohne Quittungen. Und das haben wir aufgelistet, in einem Tagebuch, das heute Morgen in der »Morning Show« nicht gespielt wurde. Warum wohl? Auf Weisung von Chefcontroller Blumenau natürlich! Wir haben selbstverständlich sofort den obersten Mediengerichtshof in Tauberbischofsheim angerufen. Uns wurde natürlich Recht gegeben, und so konnten wir immerhin erreichen, doch noch heute mit unseren brisanten Aufdeckungen an die Öffentlichkeit zu gehen, auch wenn Blumenau vor der Studiotür steht, flankiert von zwei finsteren Schlägern, die uns zusammenschlagen werden, sobald wir das Studio verlassen. Aber das ist es mir wert.
    Liebes Tagebuch, für eine Bahnfahrt von Wien nach Linz hat Chefcontroller Blumenau 29.000 Eurosti verrechnet und für ein Arbeitsessen mit sich selbst 19.975 Eulen. Da ist es ja wohl klar, dass investigative Humoristen wie Grissemann und ich hellhörig werden. Es handelt sich hier ja immerhin um Rundfunkgebühren, mit denen der Chefcontroller sich ein tolles Leben macht. Immer hat er Kaviar im Haar und Langusten am Revers, er gurgelt beim Zähneputzen mit Schampus, während wir anderen uns für unsere Ernährung nur selbstgebrannten Absinth leisten können. Wir sind bei FM4 fast alle erblindet oder auf dem Weg dahin. Aber es ist nicht Neid, der uns treibt, sondern moralische Empörung. Chefcontroller Blumenau soll alles offenlegen müssen und einer gerechten Strafe zugeführt werden. Dass er heute Morgen die Ausstrahlung dieses Aufdecker-Tagebuchs verhindern konnte, spricht

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