Speichelfaeden in der Buttermilch
und nackt mit diesem Schwein herein, schlachtete es und aß es roh vor den erschreckten Augen meiner lieben Kollegen auf. Ich selbst muss mich ganz auf meine übermorgen startende Rundfunkreihe »Die einhundert interessantesten Romanfragmente südostasiatischer Frauenliteratur« vorbereiten.
Ich reise ab! Grissemann wusste genau, was mir meine Rede vor der Welthunger-Konferenz bedeutet, und was macht er? Mietet sich besoffen einen Hubschrauber, lässt sich aus dem Hubschrauber fallen und stürzt wieder durchs Glasdach! Landet inmitten meiner Kollegen, mit einem Cheeseburger im Mund, und dann übergibt er sich, vor all den Leuten aus der Dritten Welt und brabbelt: »Ich bin so voll, ich kann nicht mehr papp sagen!« Ich selbst spiele wieder Laute und dichte mittelhochdeutsche Miniaturen.
Las Vegas, 12.8.97
Stermann dreht durch; er hat heute eine 79jährige ostdeutsche Volksmusikantin im Suff geheiratet. Stermann meinte, sie habe Ähnlichkeit mit dem Schlagzeuger der Kinderpop-Gruppe Hanson. Stermanns Pädophilie wird immer skuriller. Kann man es Pädophile nennen, wenn man eine 79jährige ostdeutsche Volksmusikantin scharf findet, weil sie so aussieht wie ein hübscher kleiner Junge? Stermann betrog sie noch in der Kapelle mit ihrer 62jährigen Tochter. Es war so würdelos. Ich selbst verfasste eine 60seitige Rede zu Ehren Georges Batailles, die ich anlässlich meiner Ehrenprofessur an der Académie française im nächsten Herbst halten werde. Außerdem viele intensive Stunden und Gespräche in meinem Lyrik-Zirkel an der Westküste.
Grissemann ist psychisch krank. Er zeigt sich Tieren nackt. Auch Insekten. Das Schlimmste aber ist, dass er, kurz nachdem ich ihn aus dem Gefängnis freigekauft hatte, während der Eröffnungsfeier meines Heims für obdachlose Kinder laut grölend durchs Glasdach fiel und mit einem toten Kalb im Arm lallend zwischen den verängstigten Kindern landete. Ich selbst finde wenig Zeit für mein Geigenspiel und meine alte Liebe, den Ausdruckstanz, weil ich jede freie Stunde meinen afrikanischen Brunnenprojekten opfere.
München
München, Hotel am Goetheplatz, 23.10.98
Liebes Tagebuch, ich halte diese Geräusche aus dem Badezimmer nicht mehr aus. Stermann hat ja hier in München bei Dr. Fieberzahn insgesamt 41 Penisvergrößerungsoperationen machen lassen, gestern war die 41te. Stermann ist gerade im Badezimmer und penetriert die Waschmaschine, es ist an Würdelosigkeit nicht mehr zu übertreffen. »Sonst passt nix mehr!«, brüllt dieser obszöne Teufel in Menschengestalt ständig zu mir herüber. Noch schlimmer war aber, dass er gestern vor dem »Ratskeller« auf der Straße chilenische Straßenmusikanten mit einer Augusto-Pinochet-Maske so sehr erschreckt hat, dass zwei Musiker ohnmächtig wurden. Ich selbst bin fast zu aufgewühlt, um Hexameter um Hexameter aufs Papier zu hexen, sanft und zart, wie es unser aller Meister, die deutsche Sprache, täglich aufs Neue fordert, nein herausfordert! Ein beiläufiger Blick aus dem Fenster. Oh Nacht, was liegst du fragil auf den Giebeln der Stadt, oh Nacht, gib Acht!
Als Dante die Hölle beschrieb, da musste er unvollständig bleiben, weil Grissemann noch nicht auf der Welt war. Was ich die letzten Tage hier mitmachen muss, ist jenseits jeder Beschreibung. Grissemann verlangt in jedem Hotel nach einem Wasserbett, nur, was macht dieses – ja, ich muss es sagen – dieses Schwein dann? Er schüttet das Wasser aus der Matratze und füllt Erbrochenes hinein. Grissemann hat extra für dieses widerwärtige Unterfangen jedesmal, wenn wir auf Reisen sind, sechs schwere Säcke Erbrochenes mit. Ich muss beruflich endlich von diesem Geistesgestörten loskommen! Im Zimmer stinkt es unerträglich. Grissemann schnarcht auf seinem Erbrochenen, und ich, ich selbst komme kaum dazu, meinen stolzen Zweireiher fürs Nobelpreisträgeraspirantentreffen heute abend zu putzen, und grüble weiter über die Sinnhaftigkeit traditioneller politischer Seidenmalerei. Ach kritischer Geist, der du in mir wohnst und, ja, innewohnst!
Kuba
Havanna, 26.2.98
Es muss ein böser Traum sein, welcher Teufel reitet Stermann? Habe mich schamesrot ins Hotelzimmer zurückgezogen, während Stermann durchs Hotelfoyer kriecht und eine kaum vorstellbare Spur hinterlässt aus zerbissenen Kampfhähnen. Stermann hat heute Vormittag den Kampf mit 16 Hähnen aufgenommen und sie alle totgebissen. Kreidebleich haben die kubanischen Veranstalter bei diesem schrecklichen Schauspiel zugesehen,
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