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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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hat, solle er, der Elstnerhund, doch bitteschön laut nachhause bellen. Er, der Sänger, käme dann schon ihn zu holen. So macht der brave Hund Elstner jeden Tag pünktlich um 15.45 Uhr auf dem Berg bei Gütersloh den großen Bellheim.
    Das nasse Gesicht
    Sich berühren ist wie Afrika, fremd und kalt. Und »Au clair de la lune« ist ein Gute-Nacht-Lied. »Und was hat das alles mit mir zu tun?«, fragte sich Vico Torriani, als er mit nassem Gesicht vor einer Kathedrale stand.
    »Altes Haus, warum ist mein Gesicht seit 75 Jahren nass? Nass wie die See. Ich schwitze nicht, ich dusche nicht, aber, oh weise Kathedrale, mein Gesicht ist nass, wie der feuchte Po einer Hammerwerferin.«
    Vico kniete nieder. Ein Tourist aus der Schweiz wusch sich die Hände in Vicos Gesicht. So ging es ihm oft. Und seit 75 Jahren fragt er sich, woher die Nässe kommt. Gut, einen Vorteil hatte die wundersame Nässe, das räumte auch Vico ein. Wo seit 75 Jahren Feuchtigkeit regiert, entsteht neues Leben. Vico Torrianis Gesicht ist seit 1967 ein anerkanntes Schweizer Feuchtbiotop. Auf Vicos nassem Gesicht tummeln sich Molche, Algen, Seerosen und seit kurzem auch ein Schwan. Auf einem Schildchen werden potentielle Angler zurechtgewiesen: »Fischen verboten«. Geht Vico spazieren im Wind, dann hat er stürmische Gesichtssee. Skrupellose Investoren errichten im Mai 1993 eine Hotelanlage neben Vicos Nase mit Minibar und Satelliten- TV . Zimmer mit Augenblick. Herr Torriani wurde gar nicht gefragt. Wenn er sich das vor Augen hält, muss er weinen. Dann ist Gesichtsflut und Urlauber ertrinken. Gleichzeitig entsteht wieder neues Leben in Torrianis nassem Gesicht. Kraniche, Aligatoren und Neandertaler mit Lendenschurz. The circle of life. Vicos ganzer Stolz ist Wicki, ein 200 Meter langer Blauwal, der es sich in Vicos Gesicht bequem gemacht hat. Von Wicki hat Vico gelernt, wie man Geräusche machen kann, die in 45.000 Kilometern Entfernung noch zu hören sind. Aber Wicki und Vico leben in ständiger Angst vor den Walfängern von Greenpeace, die mit ihren Schlauchbooten und Harpunen über sein Gesicht rasen, dass es eine Art hat. Das alles sauste Vico Torriani durch den Kopf, als er 75jährig mit nassem Gesicht vor einer Kathedrale kniete.
    Im Hobbyraum
    Im Hobbyraum, wo seit 18 Jahren ein gelber Tischtennistisch steht – Wer sagt, dass Tischtennistische immer grün sein müssen? – kommt der honorige Stermann plötzlich ins Grübeln, ob Tischtennis tatsächlich sein Hobby ist. Als Hobby schwebe ihm schon so etwas vor mit Netz, kleinem Ball und bis 21. Aber in Wahrheit, so stellt Stermann da im Hobbyraum kleinlaut und beschämt fest, durchjagen ihn, den großmäuligen Afro-Deutschen, seit 47 Jahren ausschließlich sexuelle Gedanken. Und die haben – mit Verlaub – mit Tischtennis rein gar nichts zu tun. Na ja, denkt Stermann traurig, zieht sich aus, legt sich auf den Tisch und denkt an etwas ganz Anderes.
    Andreas und seine Freundin
    Andreas staunte nicht schlecht, als ihm seine Freundin vorgestellt wurde. Eigentlich wollte er mit Gerald trampen gehen. Und jetzt das. Jetzt hatte er also eine Freundin. »Was kann man damit machen?«, fragte sich Andreas und begann zu überlegen. Als er den Michelfeit-Schrank zum Geburtstag seiner Mutter bekommen hatte, hatte er zuerst auch nicht gewusst, was er damit tun sollte. Bis er sich entschloss, Bücher hineinzustellen. Das war eine gute Idee gewesen. Aber jetzt, bei dieser Freundin, da konnte man wenig reinstellen, und die Gebrauchsanweisung verstand er nicht. Sie hieß Friederike Mayröcker und schrieb Bücher, die Andreas in seinen Michelfeit-Schrank stellen konnte. So hatte sie doch eine Art Funktion.
    Schuhhirsch
    »Suppe, Suppe …« brach es aus Schuhhirsch heraus, als er versuchte, über sich selbst zu reden. Seine Frau wollte das. Sie beklagte sich seit Jahren darüber, dass Schuhhirsch nie über sich selbst sprach. Sein »Suppe, Suppe …« machte die alte Schuhhirsch nur noch wütender. Schuhhirsch selbst schlug resignierend die Hände über dem Kopf zusammen und murmelte über einem Sturzbach an Tränen: »Wie man's macht, macht man's verkehrt.«
    Die Schuhhirschs trennten sich. Statt seiner Frau nahm er sich eine kleine Wohnung. Als er seinen letzten Kaffee verbraucht hatte, sagte Schuhhirsch zu sich selbst: »Jetzt bin ich ganz allein.« Er schlief im Stehen ein und stand am nächsten Morgen wieder auf. »Nennt man das auch aufstehen, wenn man im Stehen geschlafen hat?«, fragte Schuhhirsch

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