Speichelfaeden in der Buttermilch
Gott,
Mutter Grissemann
Frau Grissemann,
hören Sie auf, sich lächerlich zu machen. Alle fünf Damen meines Kaffeekränzchens haben heute sehr gelacht über Ihren Brief. Neid ist ein schlechter Ratgeber. Versuchen Sie einfach die Tatsache zu akzeptieren, dass mein Sohn Dirk intelligenter und geiler ist als Ihrer. Dirk hat’s schon mal mit meiner Fitnesstrainerin gemacht. Haben Sie ihn übrigens schon mal im Anzug gesehen? Das kaschiert das eine oder andere Fettpölsterchen ganz gut. Anzüge, die Eiterpickel verdecken, sind leider noch nicht erfunden. Ach, tut mir das leid. Wussten Sie eigentlich, dass Ihr primitiver Sohn schwerer Alkoholiker ist? Leider muss ich den Brief schließen, denn eine Redakteurin des Magazins Bild der Frau erwartet mich für ein Interview zum Thema »Mütter berühmter Söhne«. Die gute Frau schien am Telefon ganz hingerissen von meinem Dirk zu sein.
Guten Tag,
Mutter Stermann
Telegramm an Frau Stermann
Blöde alte Schlampe Stermann. Stop. Hirnschiss. Stop. Dirk Schwuchtel. Stop. Christoph Mark gestern mit Damenfußballteam gebumst. Stop. Besser. Stop. Arschlochkaffeekränzchen soll scheißen gehen. Stop. Fuck you. Stop.
Telegramm an Frau Grissemann
Pissnelke Grissemann. Stop. Dirk bumst gerade Frauenorchester. Stop. Fantastisch. Stop. Ihr Sohn Christoph hässliche Sau. Stop. Leck mich. Stop.
Die Wiener -Kolumnen
Vordenker
Ein alter Serienkiller-Witz besagt, dass es vernünftiger ist, wenn in deiner Stadt ein Massenmörder sein Unwesen treibt, nicht zu fliehen, sondern, im Gegenteil, sein Nachbar zu werden. Denn Nachbarn sagen in Interviews immer: »Komisch. Mir ist überhaupt nichts aufgefallen. Er war immer so nett und freundlich.« Da ist etwas Wahres dran, und deshalb umgeben wir uns ausschließlich mit irren Verbrechern. Wir schalten Inserate im Fachblatt für geistig abnorme Straftäter Mord und Totschlag und bieten komfortable Zimmer in unserer Kabarettisten- WG an. So sind wir bis jetzt von heimtückischen Attentaten und unsympathischen Amokläufern verschont geblieben. Aus Angst Nähe suchen. Bei genauerer Betrachtung sind eigentlich wir ein Fall für den Irrenarzt.
Wenn man nun bald in der U-Bahn jemandem begegnet, der Tinte am Daumen hat, dann fühlen wir uns deswegen nicht sicher. Werden wir nämlich von demjenigen in Stücke gerissen und, in viele Einzelteile zerlegt, in einen Müllcontainer geschmissen, dann bringt es uns als Leiche nichts, dass man durch die Fingerabdrücke eventuell herausfinden kann, wer der Herr Mörder ist. Leichen sind so anspruchsvoll, mit nichts können sie sich anfreunden, was die Art und Weise betrifft, wie man sie um die Ecke gebracht hat. Den einen stört der Luftzug, der andere jammert, weil er ein Messer auf sein Herz zukommen sieht, ein Dritter empört sich darüber, dass das Gift so bitter schmeckt. Viele Verbrecher prangern die Mimosenhaftigkeit ihrer Opfer an. Man muss ihnen also nicht noch zusätzlich das Leben mit Fingerprints schwer machen, haben sie doch auch so schon genug um die Ohren. In Gesprächen mit Tätern wird immer wieder klar, dass sie sehr wütend darüber sind, dass immer nur sie verfolgt und vor Gericht gestellt werden. Nie aber das Opfer, obwohl das doch auch in den Mord verwickelt war.
Bei aller Skepsis über das Ende der persönlichen Freiheit durch Überwachungsmaßnahmen wie Fingerprints, Irisdurchleuchtung und täglichen Speichelabstrich wollen wir doch auch die positiven Seiten der totalen Überwachung nicht unerwähnt lassen. Für einsame Menschen ist das Fernrohr auf der anderen Straßenseite Symbol einer Anteilnahme und eine willkommene Abwechslung im kargen Alltag. »Endlich interessiert sich wer für mich!« Außerdem kann man sehr viel über sich selbst erfahren, wenn man vereinbart, einmal im Jahr in seine Akten schauen zu dürfen. Was den Speichelabstrich betrifft, werden sich Menschen ohne Sexualpartner freuen, weil das ja auch eine Art bizarrer Erotik bedeutet.
Was wir allerdings im Zuge der Terrorismusbekämpfung anprangern, sind die verbindlichen Deutschkurse und Österreichtest für Ausländer. Wenn nämlich jeder arabische Extremist plötzlich redet wie ein Meidlinger Wurstverkäufer und dazu einen Floridsdorfer Jogginganzug trägt, wird es natürlich umso schwieriger, die Spreu vom Weizen zu trennen; den Inländer vom Ausländer, den Täter vom Opfer.
Man sollte das Pferd von der anderen Seite aufzäumen: Alle Inländer sollten die Heimatsprache jedes einzelnen Ausländers in einem
Weitere Kostenlose Bücher