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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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Gesicht?
    Als Festgewand ziemt sich das nicht!
    Und die Peitsche und die Zangen?
    Den Kindern wird ganz blass um ihre Wangen!
    Der Onkel kotzt die Tanne voll,
    und bald wird klar, was denn die Peitsche soll.
    Er drischt auf Oma, Opa und den Papa ein,
    die Kinder schrein!
    So macht Weihnachten nur wenig Spaß.
    Und Papa, der sonst immer um die Zeit
    die Weihnachtsgeschichte mit schöner Stimme las,
    beißt röchelnd und verschreckt ins Gras.
    Frohe Weihnachten!

Ach, ist das schön!
    Der Opa zündets Kerzlein an,
    die Oma steckt am Baum das Sternchen dran.
    Die Kinder haben ganz feuchte Hände
    und malen Schneeflöckchen an die Wände.
    Bald wird gesungen, bald gegessen.
    Großvater hat die Erschießungen im Krieg ganz kurz vergessen.
    Die Mama packt Geschenke ein.
    Ach, der Abend heut, der wird so fein!
    Zum Essen gibts Forelle blau,
    und Onkel Hans, die blöde Sau,
    hat in dieser heilgen Nacht
    sich durch Erhängen grad in der Küche umgebracht.
    Die Stimmung ist nicht sehr getrübt,
    denn Onkel Hans war nie beliebt.
    Der Papa hängt den Onkel Hans
    einfach an den Baum zum Weihnachtskranz.
    In des Onkels Ohren stecken die Kinder Wunderkerzen.
    Onkel Hans ist tot! Man kanns verschmerzen.
    Heut wird gesungen, getanzt und geschenkt,
    auch wenn der Onkel tot am Weihnachtsbaum hängt.
    Frohe Weihnachten!

Nach Tannennadeln duftets Haus,
    und eiderdaus,
    man glaubt es nicht,
    fehlerfrei und ohne Stocken spricht
    Kevin heute das Gedicht.
    Die Narben der Pocken in seinem Gesicht
    sind heute vergessen.
    Im Kerzenlicht sitzen Opa, Papa, Mama und Gary,
    der freundliche Herr vom oberen Stock.
    Kevin, das hast du fein gemacht.
    So schön zum Vortrag das Gedicht gebracht!
    Mama ist stolz,
    die Oma auch.
    Sie sitzt vor der Krippe aus echtem Holz,
    zufrieden im Räucherstäbchenrauch.
    Da denkt sich Gary: »Jetzt oder nie!«,
    der freundliche Herr vom oberen Stock,
    und greift der Mama untern Rock.
    So ein schöner Weihnachtstag!
    Ob Mama des Herren Hand da mag?
    Kevin muss lachen.
    Was macht denn der Nachbar da für Sachen?
    Auch Oma glaubt es kaum.
    Ehebruch unterm Weihnachtsbaum?
    Was macht die Mama da? Sie ist ja nackt!
    Und während Papa die Geschenke auspackt,
    liegt seine Frau auf Gary drauf.
    Sie stöhnt ganz laut und ruft ganz laut:
    »Machs mir Gary! Machs mir, schnell!«
    Sie winden sich am Bärenfell.
    Kevin muss weinen.
    Er bewirft den Nachbarn mit Dominosteinen.
    Der Papa schluchzt leise in sich rein.
    Nein, Mama, so etwas muss doch nicht sein!
    Doch Mama wills wissen. Sie ist ganz verschwitzt.
    Und wie sie da so auf dem Nachbarn sitzt,
    kommt sie mit ihm, oh ihr Kinderlein kommet!
    So hat in dieser Weihnachtsnacht
    der Gary der Mama ein Kind gemacht.
    Frohe Weihnachten!

Onkel Friedrich hat den Tannenbaum direkt aus dem Wald gebracht.
    Die Oma hat den ganzen Tag im Ohrensessel zugebracht.
    Das Glöckchen zur Bescherung steckt tief in ihrer Schürze.
    Mama steht am Küchenherd und neben ihr Gewürze,
    fürs feine Weihnachtsmahl.
    Oh schau, Opas Schädel ist schon kahl!
    95 wurd er gestern,
    und seine Schwestern
    auch.
    Aschfahl und bis oben voll mit Parkinson,
    die Glieder kalt und das Leben fast schon ausgehaucht.
    Schaffen sie’s noch bis zum Christkind?
    Beide sind blind und taub und stumm
    und durch die Krankheit auch noch unendlich dumm.
    Klingeling, kling Glöckchen kling,
    Peter und Martha, die süßen Kleinen,
    sitzen beim Vater und weinen.
    Der Anblick der drei Alten und ihrer Schläuche
    und ihrer faltigen Hängebäuche
    lässt die Kinder verzweifeln.
    Die Katheter, wie sieht das denn aus,
    das kommt ja Eiter, Harn und Blut heraus!
    »Papa, ruf bitte den Arzt!«, schreit Peter,
    und Papa sagt:
    »Später.«
    Erst werden die Geschenke ausgepackt,
    die Krawatten, die Socken, die Füllfederhalter.
    Und Opa Walter,
    was hat der gekriegt?
    Nen Schlaganfall! Und die Oma ist für immer eingenickt.
    Die Schwestern fallen auf Bethlehems Stall,
    tot liegen sie zwischen Esel und Schaf.
    Dem Papa ist das alles ganz egal.
    Vier Menschen im ewigen Schlaf!
    Und während sich alle munter die Geschenke reichen,
    wurden ruckizuck aus Opa, Oma und den Schwestern
    vier eiskalte alte Weihnachtsleichen.
    Frohe Weihnachten!

Briefe ans Christkind
    Liebes Christkind, du kommst nicht aus Deutschland, oder? Dir kann ich vertrauen. Mach bitte, dass ich endlich einen Scheißkabarettpreis kriege und dass Stermann von der Bundeswehr eingezogen wird und das erste deutsche Opfer im Afghanistan-Krieg wird.
    Liebes Christkind. Ich weiß,

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