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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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Überstunden zu zwingen … Irgendwann kann auch ich nicht mehr …
    6.11.
    Schon seltsam. FM4 feiert in einem Monat neunjähriges Bestehen, und kein einziger Glückwunschbrief von Hörern flattert in die Redaktion. Ich habe mir heute die Post der letzten Tage angesehen: Die übliche Tonne offene Rechnungen, gezählte 60 Drohbriefe von Chefcontroller Blumenau an die 60 Mitarbeiter und das Herrenmagazin Ostdeutsche Wahnsinnsmöpse , das die Chefin für die sexuell frustrierte männliche Belegschaft abonniert hat. Aber kein einziges Geburtstagstelegramm, keine müde Zeile von wegen: »Macht weiter so – Ihr seid Spitze!« Das darf doch nicht wahr sein! Ich befürchte langsam, dass wir hier nur in dem Glauben gehalten werden, FM4 sei ein echter Radiosender – es dringt offensichtlich gar nichts nach draußen! Vielleicht ist das Projekt FM4 ja tatsächlich nur ein staatlich organisiertes Beschäftigungstherapieprogramm für schwererziehbare Erwachsene. Hört uns irgendwer da draußen? Hallo?!?
    Kollege Grissemanns Befürchtung, FM4 sei nur eine Art Fake-Radiostation, konnte ich schnell widerlegen. Als ich mir die Post ansah, fiel mir ein Brief in die Hände, den Grissemann in der Aufregung wohl übersehen hatte. Den Brief hat eine Frau Hildegard Schwaninger aus Mayerhofen in Tirol geschrieben. Der Beweis dafür, dass wir hier nicht ins Nichts senden! Trotzdem bietet der Brief von Frau Schwaninger auch nicht viel Grund zur Freude. Frau Schwaninger schreibt, sie sei Frontsängerin der Schweinerockband »The Schwaningers«, und sie verbitte sich, dass ihre neue CD auf FM4 gespielt werde. Sie möchte unter keinen Umständen, dass ihre Musik mit diesem Sender assoziert werde. Meine Güte, es wird nicht leichter, liebes Tagebuch!
    7.11.
    »Irgendwann brech ich vor Arbeit zusammen«, hat mir gestern Praktikant Schindler zugeflüstert und mir dann erzählt, was passiert ist. Gestern Nacht mussten alle FM4- Mitarbeiter zu einer achtstündigen technischen Schulung. Und das deshalb, weil Mathias Zsutty den Studio- CD -Player ruiniert hat, indem er statt einer CD versehentlich eine Kinderpizza hineinsteckte. Die Chefin war ganz schön sauer, schließlich hat FM4 nur einen CD -Spieler. Freeman und Larkin, zwei verdienstvolle FM4- Helden, mussten unter scharfen Anweisungen von Chefcontroller Blumenau das Ding von Zwiebeln, Kapern, Tomaten und Salamischeiben befreien, ehe der Sender das Musikprogramm wieder aufnehmen konnte. Der Pizzatäter Zsutty holte sich seine Strafe direkt im Chefbüro ab. Die Chefin bestellte beim Pizzaservice zehn Pizze Diavolo, die alle in Zsuttys angsterfülltem Gesicht landeten.
    Nach einem kleinen Fauxpas mit dem CD -Spieler wurden alle Redakteure zu einem Technikkurs zwangsverpflichtet. Ich habe den heulenden und verzweifelten Zsutty begleitet. Wir lernten noch einmal, dass – 1. – die Mikrofone nicht in volle Cappuccinobecher getaucht werden dürfen, dass – 2. – panierte Schweineschnitzel nichts im DAT -Recorder verloren haben, und dass man – 3. – in einem CD -Brenner keinen Schnaps brennen kann. Die Schulung war wirklich quälend für den lieben Zsutty, da seine Augen höllisch weh taten, weil mehrere Pepperonischeiben in seiner Netzhaut hingen. Das hat doch alles mit Radiomachen nichts mehr zu tun.
    8.11.
    Gestern wurde ein Zehneuroschein auf der Toilette gefunden. Das hat für große Aufregung gesorgt, denn noch nie hat ein kleiner FM4- Mitarbeiter soviel Geld auf einem Haufen gesehen. Keiner hat sich getraut, den Schein anzufassen, geschweige denn einzustecken. Dann kam Chefcontroller Blumenau und hat die Leute angebrüllt, sie sollten aufhören, den Geldschein anzustarren, und zurück an die Arbeit gehen. Als ich eine Stunde später wieder klammheimlich auf die Toilette schlich, war der Zehneuroschein weg. Der Chefcontroller hat wohl einen guten Platz für ihn gefunden. Unerklärlich, wer diesen Schein besessen haben könnte. In den Redakteurs-Geldtaschen befinden sich doch normalerweise nur ganz kleine rote Münzen. Ich selbst kann von Glück und Reichtum sprechen, wenn mich eine 2-Cent-Münze aus meinem Portmonee anlacht.
    Redakteur Edlinger, ein geiziger und unnahbarer Kollege, der eine unbedeutende Nachtsendung co-moderiert, ist am Boden zerstört. Sein ganzes Geld sei weg, sagt er. Fünf lange Jahre habe er auf diesen verdammten Zehneuroschein gespart, und er Esel verliert ihn einfach. Er müsse ihm beim Wasser Abschlagen aus der Unterhose gerutscht sein. Weil er in der

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