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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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die größte Autogrammkarte der Welt anfertigen lassen: Das gute Stück ist 11m lang und 5m breit und lehnt draußen an der Mauer. Danach gefragt hat noch kein Mensch …
    Nachdem ich unzweifelhaft den größten Sexappeal von allen FM4- Mitarbeitern habe, soll ich das offizielle FM4- Gesicht werden.
    Ich fühle mich geehrt. 20.000 Plakate mit meinem lachenden Gesicht sollen in die Stadt geklebt werden. Wir alle brüten noch darüber, welcher flotte Spruch zusätzlich aufs Poster kommen soll. Der vor Neid fast platzende Kollege Grissemann hat vorgeschlagen: »Das Radioelend hat viele Gesichter – wie finden Sie meins?« Wurde natürlich abgelehnt. Na ja, wird sich schon was finden. Wir bei FM4 machen uns jedenfalls selbst zu Stars, das hat bei den Deppen von Bro'Sis schließlich auch geklappt. Ein Trendforscher aus Polen hat Grissemann übrigens das geringste Starpotential bei FM4 bescheinigt, woraufhin Senderchefin Eigensperger ihm die Autogrammkarten weggenommen hat. Man überlegt, Grissemann in die FM4- Wäscherei strafzuversetzen.
    4.11.
    Senderchefin Eigensperger hat Geburtstag! Gestern Nachmittag spielten sich rührende Szenen im Chefbüro ab. Chefcontroller Blumenau überreichte Senderchefin Eigensperger eine Schokoladentorte, in der fünf Kerzen steckten. Dazu mussten wir Mitarbeiter »We Are The Champions« singen. Ein Hohn, wenn man an die Hörerzahlen denkt. Nun, die durchs Dauerrauchen etwas lungenschwache Chefin hat es nach mehreren verzweifelten Versuchen nicht geschafft, alle Kerzen auszublasen. Um die Wahrheit zu sagen, keine Einzige. Wortchef Pieper hat dem traurigen Schauspiel dann ein Ende bereitet, indem er der Chefin auf den Rücken klopfte, sodass diese mit einem ohrenbetäubenden Hustenanfall die Kerzen zum Erlöschen brachte. Die Chefin hat die Kerzen ausgehustet und dann die ganze Torte allein aufgegessen. Happy birthday.
    Die FM4- Redakteure wurden in internen Mitteilungen dazu gezwungen, Senderchefin Eigensperger zum Geburtstag großzügige Geschenke zu machen. Jedes Geschenk musste über 3500 Euro kosten. Viele FM4- Mitarbeiter haben ein halbes Jahr lang gespart, um sich das leisten zu können. Eigensperger sagte im Vorfeld, sie verlange als Geschenke Waffen oder andere Quälwerkzeuge, Autos, Immobilien oder Aktien. Wer zu fantasielos sei, könne ihr auch einen Scheck oder Bares überreichen. Heute war es soweit, die Mitarbeiter unter 30 überreichten die Geschenke. Auf Knien mussten sie einzeln ins Großraumbüro der Chefin rutschen und ihr mit einer demütigen Geste das Geschenk vor die Füße legen. Zum Dank bekamen sie von Chefcontroller Blumenau anschließend eine schallende Ohrfeige und ein barsches: »Und jetzt wieder raus. Zack! Zack!« zugeschrien. Geburtstage haben immer eine eigene, herrliche Stimmung.
    5.11.
    Gestern Nachmittag fand die große Geburtstagsparty der Senderchefin am Funkhausparkplatz statt. Eingeladen waren alle FM4- Mitarbeiter und deren Familien. Die Stimmung hielt sich in Grenzen – was vielleicht daran lag, dass Chefcontroller Blumenau ein absolutes Alkohol-, Nikotin- und auch Redeverbot aussprach, um seine angespannten Nerven nicht zu strapazieren, wie er meinte. Zu essen gab es für jeden Redakteur eine Manner-Schnitte. Wortchef Pieper steckte sie höchstpersönlich in die Journalistenmünder. Dann hielt die Senderchefin eine vierstündige Rede durch ein Megafon, in der sie ihre eigenen Stärken und die Schwächen ihrer Untergebenen hervorkehrte. Die Hälfte der Belegschaft brach in Tränen aus. Als Unterhaltungseinlage kletterte dann ein offensichtlich betrunkener rumänischer Pantomime auf die kleine Bühne und stellte pantomimisch eine Wasserleiche dar. Tja, und dann war das schöne Geburtstagsfest auch schon beendet. Der strenge Blumenau peitschte die Kollegen zurück an die Schreibtische.
    Dass nicht mal zum Geburtstag der Chefin in diesem Sender ein bisschen Menschlichkeit zugelassen wird, macht mich langsam wütend. Chefin Eigensperger hatte ja am Ende ihrer Rede gemeint, dass jeder Mitarbeiter auf seinem Schreibtisch ein Geschenk vorfinden werde. Wir haben uns alle wie die Schneekönige gefreut, aber dann war die Enttäuschung doch wieder groß. Jeder FM4- Mitarbeiter hat das gleiche Geschenk bekommen, nämlich Scheuklappen. Wie sie Pferde tragen. Damit soll die Konzentration auf die eigene Arbeit erleichtert werden, heißt es. Wie demütigend ist das denn? Fehlen nur noch Kanonenkugeln, die uns an die Beine gekettet werden, um uns so zu

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