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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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Pirouetten, Traversen. Das wäre alles nicht so schlimm, wenn er Trischler nicht gesattelt und gezäumt hätte. Die Riemen schneiden in der Lendengegend fürchterlich ins Fleisch. Trischler arbeitet wie ein Pferd. Be afraid honey, it's FM4 !
    11.11.
    Liebes Tagebuch, seit Tagen sitzt Chefcontroller Blumenau huckepack auf dem Kollegen Trischler und reitet mit ihm durch den Wienerwald. Die frische Luft tue ihm gut, sagt Blumenau. Stefan Trischler muss über Hindernisse springen: Bäche, Hecken und von Blumenau extra aufgestellte Ochser. Blumenau trägt jetzt neuerdings eine Bundesheer-Uniform: Military-Reiten. Trischler muss eine Perücke mit Rosshaar tragen und ein Pferdegebiss, das er sich selbst in einem Scherzartikelgeschäft besorgen musste. Blumenau striegelt ihn auch vor und nach jedem Ausritt mit einer Drahtbürste. Trischlers Haut ist vollständig aufgerissen, und in den Wunden sind feine Rosshaare, die zu dauernden Entzündungen führen.
    Liebes Tagebuch, Chefcontroller Blumenau ist sehr wütend auf Trischler, weil sie beim letzten Ausritt im Wald von einem echten Pferd überholt worden sind. Der andere Reiter sah überrascht aus, als er an dem FM4- Gespann vorbeiritt. Wahrscheinlich, weil Trischler so viel Schaum vor dem Mund hatte. Blumenau ist davon überzeugt, dass Trischler genauso gut wie ein Pferd sein könnte, wenn er nachts nicht im Bett liegen, sondern im Stall stehen würde. Er ist mit Trischler zu einem Gestüt geritten und hat den Besitzer überredet, den armen Stefan heute Nacht zwischen den anderen Pferden stehen zu lassen, in einer Gemeinschaftsbox. Dort gibt es Wasser in Eimern und faulige Steckrüben. Na ja, immer noch besser als das FM4- Kantinenessen.
    12.11.
    Liebes Tagebuch, unser neues Sendestudio ist da. Die ganze Technik ist noch eingepackt in großen Ikea-Kartons. Wir dachten erst, die Verpackung sei nur für den Transport gewesen, ein Studio von Ikea erschien uns unmöglich. Bis uns von Chefcontroller Blumenau die Ikea-Steckschlüssel in die Hände gedrückt wurden. Tatsächlich, Studio und Equipment sind von Ikea: Ingemar nennt sich dieses Steckstudio – und wie immer bei Ikea passt nichts zusammen. Schrauben fehlen, Muttern und Kabel. So können wir unmöglich arbeiten. Die Bauanleitung ist schwedisch, Blumenau hat es direkt bei Ikea in Schweden gekauft, weil es so billiger ist. Leider kann von uns niemand schwedisch. Vielleicht mit ein Grund, warum Ingemar eher an ein riesiges Bett erinnert, als an ein funktionierendes Radiostudio.
    Liebes Tagebuch, da das Ikea-Rundfunkstudio nicht funktionierte, Blumenau aber unser altes Studio an ein slowakisches Schrottunternehmen verkauft hat, mussten wir innerhalb von wenigen Minuten ein improvisiertes Studio bauen. Aus Kleiderhaken, Äpfeln, einer Glühbirne und einem elektrischen Nasenhaarschneider haben wir ein Provisorium zurechtgezimmert, mit dem man in Wahrheit besser senden kann, als mit unserem alten Studio. Probleme macht noch der Plattenspieler. Das Einzige, was wir dafür finden konnten, war eine Flunder als Plattenteller und eine Zigarette als Tonarm, als Nadel verwenden wir einen Zahn der Flunder. Der Plattenspieler funktioniert zwar, aber alle Platten stinken jetzt unerträglich nach Fisch.
    13.11.
    Liebes Tagebuch, endlich kommt mal ein Hautarzt. Seit Anbeginn des Senders leiden wir alle unter furchtbaren Ausschlägen. Rote Flecken und Pusteln in allen Größen und Formen bedecken die Mitarbeiterkörper. Die Vermutung liegt nahe, dass irgendetwas mit dem Gebäude nicht stimmt, weil es ja aus gestohlenem Schutt des AKW s Tschernobyl und des asbestverseuchten Berliner Palasts der Republik errichtet wurde. Wir haben es damals eigenhändig bauen müssen; Bauarbeiter weigerten sich trotz ABC -Kleidung und Sauerstoffmaske, auch nur in die Nähe des billigen Baumaterials zu gehen. Wir schmuggelten die Bausteine einzeln in Sackerln im Zug nach Wien. Obwohl ja die anderen Fahrgäste gar nicht wissen konnten, was sich in den Sackerln befand, schnappten viele nach Luft und hatten Schaum vor dem Mund. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben wir den vierten Stock im Funkhaus errichtet, natürlich ohne Baugenehmigung, die hätten wir ohnehin nie bekommen. Ob es an diesem kontaminierten Baumaterial liegt, dass wir alle aussehen wie eine bizarre Mischung aus Maikäfer und Niki Lauda?
    Liebes Tagebuch, der Grad der Asbestverseuchung und Radioaktivität im FM4- Trakt ist nicht messbar. Die Messgeräte versagen den Dienst, die Nadel schlägt so

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