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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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ein ganzes Jahr einfach so rum, bis sie dran sind. Das ist furchtbar. Wie gut haben es da die Leute der »Morning Show« oder vom »Update«, oder die Nachrichtenleute gar. Jede Stunde was zu tun. Das hält wach und geistig fit. Ich hab durch das ständige stumpfsinnige Warten schon vergessen, wie man isst und trinkt und wie rum man eine Zeitung halten muss. Erschwerend kommt hinzu, dass wir die ganze Woche über mit unseren Regisseuren in einem finsteren, fensterlosen Kämmerchen hocken. Wortlos, da wir uns ja auch nichts mehr zu erzählen haben. Schindler hat das Sprechen verlernt, und Zikmund lallt nur noch vor sich hin.
    12.2.
    Liebes Tagebuch, Costa Cordalis war da, der Dschungelkönig. Ö3 wollte ihn nicht als Studiogast haben, und so hat er es bei uns versucht. Wir haben ihn mit offenen Armen bei FM4 begrüßt – endlich mal ein Star! Costa hat jedem von uns eine australische Made geschenkt und sein Dschungelköniglied gesungen. Das war sehr schön und ist ja auch in Wahrheit meine Musik, viel mehr als dieser ganze Independent-Mist, der bei uns so läuft. Zusammen mit Stermann, Stuart Freeman und Martin Blumenau hab ich Costa ja mal bei einem Konzert besucht. »Hossa, Hossa, Mexicana« hieß der Abend, und Überraschungsgast war damals Tony Marshall. Wir reden heute noch gern über diesem Abend. Martin Blumenau hört ja immer noch heimlich den ganzen Tag seine alten, geliebten Roland Kaiser und Cliff Roberts CD s auf Walkman. Costa Cordalis ist übrigens ganzkörperbehaart, das hat er uns gezeigt, er hat sich nackt ausgezogen und sah aus wie ein Hirtenhund.
    Liebes Tagebuch, ich war von Costa Cordalis genauso angeekelt, wie er von FM4 . Er sagte, dass es bei FM4 ekliger sei als bei jeder Dschungelprüfung, wegen all der Ratten und Insekten, die hier auf den Kantinenabfällen rumlaufen. FM4- Mitarbeiter sind ja zu cool, aufzuräumen, und deswegen türmen sich hier in der Redaktion jahrealte Schnitzel, Pizzen und Püreeberge, umrahmt von meterhohen Zigarrettenkippenhügeln. Wir haben ja keinen einzigen Aschenbecher, obwohl es nur einen einzigen Nichtraucher bei FM4 gibt, den fetten Hamster von Kollegen McGill. Ich hab mal Bilder gesehen von den Müllkippen in Manila und spontan gedacht: das muss unser Ziel sein. Wenn's bei FM4 so aussähe wie in Manila, wär's ja ganz erträglich. Cordalis meinte, dass Daniel Küblböck hier bei uns nicht einen einzigen Tag überlebt hätte. Als der Dschungelkönig dann speibend rauswankte, machte ich mir auch Sorgen. Die ganzen grünlich-blauen Dämpfe, die von den Abfällen aufsteigen – ich weiß nicht, gesund wird das kaum sein.
    14.2.
    Thomas Edlinger, Co-Moderator der fragwürdigen Nacht-und-Nebel-Sendung »Im Sumpf«, hatte am 15. dieses Monats Geburtstag. Ich habe ja mit dem verschrobenen Herrn Edlinger die Schulbank gedrückt und deshalb ein besonderes Naheverhältnis zu ihm. 42 wurde er übrigens; er sieht aber ein glattes Jahr jünger aus. Anyway, liebes Tagebuch, das Geburtstagskind hatte acht ausgewählte Gäste in eine hippe Fressbude Wiens geladen, Herrn Ostermayer, Herrn Stermann, mich, einen abgehalfterten Werbefuzzi, seinen Bruder, seinen Steuerberater und dessen jüngeren und älteren Bruder. Du merkst, geliebtes Tagebuch, der emotional verwahrloste Redakteur Edlinger hat wenig sogenannte Freunde, von echten ganz zu schweigen. Lange Rede, kurzer Sinn: an der langen Geburtstagstafel saßen schlussendlich nur Edlinger, der, betrunken wie ein Stinktier im Fegefeuer, den Abend durchheulte und -rotzte, ich – es war ausschließlich Mitleid, das mich trieb – und der abgenudelte Nudelregisseur, der sofort einschlief. Die anderen Gäste glänzten durch Abwesenheit. Der traurigste Geburtstag, den man sich vorstellen kann. Ich war froh, als ich wieder zuhause war.
    Ich bekam gestern Nacht einen unangenehmen Anruf. Der belesene, aber stocksteife Bücherredakteur Edlinger war am Apparat. Er muss etwa 19 Promille gehabt haben, ich hab seine Fahne durch den Telefonhörer riechen können und bei dem jämmerlichen Gelalle auch nur jedes 15. Wort verstanden. Er fragte mich unter Tränen, warum ich nicht zu seinem Geburtstagsessen gekommen war. »Mensch Bürschchen«, sagte ich, »was glaubst du denn wieviel sinnlose Einladungen bei einem Kleinkünstler meines Formats täglich eintrudeln?« Dann hab ich ihm noch mitgeteilt, dass ich ohnehin keine Zeit gehabt hätte, weil ich lieber zuhause bleiben und fernsehen wollte. Dieser Edlinger geht mir mit seiner rührseligen

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