Speichelfaeden in der Buttermilch
Grissemann und ich müssen intern Grissefrau und Sterfrau gerufen werden, die Chefin hat sich bei einem Urologen erkundigt, ob Bauchhöhlenschwangerschaften bei Männern nicht doch möglich sind. Gestern hat sie 20 wildfremde Kinder mitgebracht, um die wir uns während der Arbeitszeit kümmern müssen, damit wir merken, was Doppelbelastung heißt. Die Kolleginnen müssen sich gegen ihren Willen ununterbrochen Fußballspiele im Fernsehen anschauen und uns auf den Po hauen. Mensch, was für ein völlig antiquiertes Rollenverständnis hat die Chefin bloß? Die Kolleginnen wurden von ihr aufgefordert, nur noch im Stehen bei runtergelassener Brille zu pinkeln; klarerweise müssen wir Männer die Toiletten reinigen. Wir bekommen auch keinen Lohn mehr, sondern »Haushaltsgeld« und müssen davon zweimal die Woche zum Friseur, während alle Frauen im Unterhemd völlig zerzaust durch die Redaktionsräume schlurfen und immer mal rülpsen müssen.
7.2.
Liebes Tagebuch, seit drei Tagen läuft jetzt schon die FM4- Gleichberechtigungswoche. Wir Männer dürfen nur noch Kaffee machen und mit einem Stenoblock neben Kolleginnen sitzen, allzeit bereit fürs Diktat. Es sieht so lächerlich aus, wie Stuart Freeman neben mir mit 40cm hohen Stöckelschuhen und einem Minirock sitzt, die wenigen, schütteren Haare onduliert. Aber was willste machen? Chefin Eigensperger bildet sich nun mal ein, uns untergebenen Männern so zu zeigen, wie es ist, in einer Machowelt zu leben. Das ZDF -Frauenmagazin »Mona Lisa« hat schon über uns berichtet. Freeman versucht, sich seine Situation schönzureden, indem er auf den Fußballer Beckham und dessen Metrosexualität verweist. Aber Freeman sieht leider nicht wie Beckham aus, sondern wie eine pensionierte Metzgerin in der U-Bahn. Ich trage ein durchsichtiges Jil-Sander-Kleid und seh aus wie Gerry Keszler beim Life Ball, der arme Stermann sieht in seinem Umstandskleid dagegen aus wie Steffi Werger. Ja, liebes Tagebuch. Stermann ist schwanger.
Liebes Tagebuch, ich war heute zur Ultraschalluntersuchung bei meinem Urologen. Ich bin im zweiten Tag schwanger. Chefin Eigensperger ist zu weit gegangen, finde ich. Alle FM4- Mitarbeiterinnen mussten zur Ei-Bank und Eier spenden, ich weiß nicht, wer die Mutter ist – und ich soll jetzt das FM4- Gleichberechtigungs-Kind austragen. Sofort hat die Chefin mir ausrichten lassen, dass es in meinem Fall keinen Vaterschutz geben wird, damit ich am eigenen Leib spüre, wie hart es für Frauen im Alltag ist. Liebes Tagebuch, ich weiß nicht, ob sie da nicht dem Falschen etwas beibringen will. Ich hatte mein Leben lang Chefinnen, ausschließlich. Ich weiß gar nicht, wie das ist, einen Mann als Chef zu haben. Die Kollegen häkeln seit heute früh Babygewand, und ich muss gleich in den ORF -Fitnessraum zur Schwangerschaftsgymnastik. Mein Kind soll es einmal besser haben als ich und bei einem anderen Sender arbeiten. Bei FM4 hätte es mein Kind genauso schwer wie ich, denn laut Ultraschall ist es ein Bub. Be afraid, honey, it's FM4 .
11.2.
Liebes Tagebuch, mir ist so furchtbar langweilig. Wenn man nur einmal in der Woche etwas mehr als eine Stunde lang Sendung machen darf, hat man unerträglich unter immenser Fadesse zu leiden. Vor lauter Langeweile sind mir schon vor Tagen nicht nur die Füße und Beine eingeschlafen, sondern auch Arme, Augen und Haare. Ich weiß nicht mehr, wie ich diese endlosen Stunden rumkriegen soll. Mit Stermann, Zsutty, Zikmund, Pollack und Schindler »Mensch ärgere dich nicht« zu spielen wäre eine Ablenkung, aber es ist unmöglich: sie verstehen die Regeln einfach nicht, und als schwere Legastheniker gehen sie mit ihren Figuren immer rückwärts. Das »Salon Helga«-Team ist wirklich ein hirnloser Haufen, durch die permanente Untätigkeit ist allen das Hirn zermürbt worden. Ich verstehe nicht, warum wir als wöchentliche Sendungsmacher trotzdem einen 12-Stunden-Tag haben, von Montag bis Sonntag. Ich halte es nicht mehr aus, in die leeren Augen meiner Kollegen zu schauen – aber ich muss.
Liebes Tagebuch, um die Zeit totzuschlagen, lernen wir den Rennbahn-Express auswendig und gießen 40-mal am Tag die Blumen, obwohl es Strohblumen sind. Ich schneide mir stündlich die Fingernägel und überfliege minütlich das Manuskript für die nächste »Salon Helga«-Ausgabe. Es ist ein leeres Blatt Papier. Wir sind so zermürbt, dass wir nichts mehr denken können. Noch schlimmer haben es die Sendungsmacher der FM4- Geburtstagsparty. Die sitzen
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