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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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ekelhaft, wie die Kollegen nur an ihren eigenen Vorteil denken und nicht an meinen. Wer, bitte, braucht die Musikspezialsendungen? Und wer den »Sumpf«? Dass es »Projekt X« oder »Zimmerservice« gibt, ist ja wohl der groteske Ausdruck widerlicher Freunderlwirtschaft, mehr nicht. Wären die Damen und Herren Kollegen objektiv, wären sie, wie ich, der Meinung, dass es für FM4 das Beste wäre, ich sende rund um die Uhr, eventuell unterbrochen von Nachrichten, damit ich auf's Klo kann oder einen Kaffee holen. Alles außer mir auf FM4 ist ein trauriger Kompromiss.
    2.3.
    Liebes Tagebuch, wirklich, ich mag auch Tiere. Aber nicht so viele und nicht während der Arbeitszeit. Viele meiner Kollegen sind ja sozial vereinsamt und haben deshalb Hunde, Katzen und Vögel, aber müssen sie die mit zur Arbeit nehmen? Bei FM4 sieht die Belegschaft zurzeit so aus: 55 Mitarbeiter, 42 Hunde, 54 Katzen, 24 Meerschweinchen und 18 Vögel. Wann immer ich mein wohlverdientes Pausenbrot auspacke, knurren mich mindestens zwei Dutzend Köter an und schnappen nach meiner Hand. Und wehe, man kritisiert diese Zustände, dann wird von den lieben Kollegen sofort mit Tierschutzorganisationen gedroht! Am kranksten ist Chefin Eigensperger, die nicht nur ihre vier Siamkatzen ständig mit sich führt, sondern auch ihre zwölf gestorbenen Katzen ausgestopft im Büro stehen hat. Die Menschentoiletten wurden aus Platzmangel in Katzenklos umgewandelt, also muss auch ich mich demütigenderweise in die Kisten mit Katzenstreu setzen, wenn ich mal muss. Es ist so erniedrigend.
    Liebes Tagebuch, heute wurde in der Redaktion der achte Baum gepflanzt, außerdem wurden zwei Studios abgerissen und mit Rasen ausgelegt, damit die Hunde Auslauf haben. Es gibt ja außerhalb von FM4 Menschen, die glauben, ich hätte graue Haare. Nein, das ist Vogelscheiße. Die gefiederten Dreckschleudern scheißen mir so oft auf den Kopf, dass es sich nicht mehr lohnt, die Kacke aus den Haaren zu waschen. Und ständig stolpere ich über die dämlichen Meerschweinchen von Petra Erdmann. Angeblich will Julia Barnes morgen ihr Pferd mitbringen. Und Dave Dempsey seine Bisamratten. Hoffentlich vertragen die sich mit dem Faultier von John McGill und dem Eber von Martin Puntigam.
    3.3.
    Liebes Tagebuch, meine Backe ist das Einzige, was dicker ist als mein Hals, nachdem dieser angebliche Zahnarzt bei FM4 war, um unsere Beißerchen zu überprüfen. Ein 89jähriger ehemaliger Weltkriegs-Dentist, der nach abgesessener Kriegsverbrecherstrafe wieder praktiziert. Angeblich war er der einzige Zahnarzt, der sich bereit erklärt hat, in unsere verfaulten Mäuler zu schauen. Einmal im Jahr finden diese medizinischen Untersuchungen statt – und es stimmt schon, wir haben in den letzten Jahren sämtliche Mundhygienikerinnen und Zahnmediziner zur Weißglut getrieben. Ich erinnere mich noch an die liebreizende Ärztin vom letzten Jahr, die irgendwann die Nerven wegschmiss und hysterisch schrie: »Man sollte euch allen den Mund amputieren, das ist ja unzumutbar!« Dieser schwere Mundgeruchdunst in den FM4- Räumlichkeiten ist wahrscheinlich wirklich nicht jedermanns Sache. Diese Mischung aus Fisch-und Knoblauchgeruch, gepaart mit kaltem, abgestandenem Raucheratem und schimmlig duftender Magensäure fällt uns selbst gar nicht mehr auf.
    Liebes Tagebuch, ich konnte mir vor dem Zahnarztbesuch nicht die Zähne putzen, weil die aggressiven Bakterien zwischen meinen Zähnen die Zahnbürste sofort attackieren. Außerdem beginnt mein Zahnfleisch zu bluten, sobald ich den Mund aufmache. Der merkwürdige Weltkriegsdoktor hat mir Spritzen von außen in die Backe gegeben, aus Ekel, wie er sagte. Dann musste ich den Mund öffnen, und er schmiss ein Dutzend Blutegel hinein. Die sollen sich durch den Zahnstein fressen und in dem bakteriologischen Schlachtfeld aufräumen. Ich muss sie drei Tage im Mund behalten – unangenehmes Gefühl, trotz Spritze. Der liebe Onkel Doktor hat mich trotzdem gelobt, meine Kolleginnen und Kollegen bei FM4 hätten bei weitem ungepflegtere Zähne als ich. Das hat mich ganz schön stolz gemacht.
    4.3.
    Liebes Tagebuch, es ist so demütigend, als erwachsener Mensch von einer blutjungen Zahnarzthelferin vorgemacht zu bekommen, wie man sich richtig die Zähne putzt. Aber ich musste es machen, mir fehlten die Argumente. Dass ich offensichtlich die falsche Zahnputz-Technik verwende, wurde offenkundig, als auf meinem Röntgenbild gezählte 34 Kariesstellen gefunden wurden. Allein an den toten,

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